Sonntag, 18. Dezember 2011

Der optimale Nachbrenner im Jahresendgeschäft – Xing, ausgewählte Mitarbeiter und das Potenzgesetz

Ein Unternehmen möchte im 2. Halbjahr ein innovatives Produkt in den Markt bringen. Keine einfache Aufgabe. Das klassische Marketingbudget ist ausgeschöpft. Für große Anzeigenkampagnen ist kein Geld mehr vorhanden.

Man beschließt sich darauf zu konzentrieren die Außendienstler für das neue Produkt zu gewinnen. Leider sind die großen Außendienstveranstaltungen vorbei, da es schon Ende des dritten Quartals ist. Man wird also keine gemeinsamen Termine finden, auf dem das Produkt allen 1000 Außendienstlern der Firma präsentiert werden kann.

Auf der anderen Seite ist man überzeugt, dass eine reine Vorstellung per Email-Kampagne nicht ausreicht, um das Produkt richtig zu positionieren und zu kommunizieren. Auch Videokonferenzen, so die Erfahrung des Unternehmens, reichten nicht aus, um intern wie extern zu überzeugen. Man konzentriert sich deshalb darauf, die entscheidenden Schlüsselaußendienstler anzusprechen.

Diese sind nicht etwa die Außendienstler mit den meisten Umsatz. Die Quotenkönige sind zwar hoch angesehen im Kreise der Kollegen, meistens aber nicht gut mit diesen vernetzt, da sie sich ausschließlich auf ihr Geschäft und weniger auf die Kommunikation im Kollegenkreis konzentrieren.

Zielgruppe sind die Außendienstler, die am ehesten Zeit in die Kommunikation unter ihresgleichen investieren.

Nach einigem Nachdenken und Blick in die Mitarbeiterfirmenliste bei Xing wird man fündig: Eine Laufgruppe aus sechs Außendienstlern und Vertriebsassistentinnen, welche sich seit einem halben Jahr auf den Berlin-Marathon vorbereitet.

Die Mitglieder sind nicht gerade die umsatzstärksten, liegen aber gut im Mittelfeld. Dafür zeichnet sie aus, dass sie zu ihren übrigen Kollegen und zu anderen Kunden hochgradig vernetzt sind. Man tauscht sich aus, trifft sich am Wochenende zum grillen. Der Blick in die „Neuigkeiten aus Ihrem Netzwerk“ bei Xing  gehört  dreimal am Tag zu Ihren liebsten Ritualen – die Zahl der Kontakte ist vierstellig. Das macht es für die Vertriebsführung leicht sie zu identifizieren.

Hier findet man die entscheidende Zielgruppe für die erste Kommunikation des neuen Produkts. Ein Abend im Rahmen des Trainings für den Marathon wird darauf verwendet, das Produkt vorzustellen und für die neue Innovation zu werben. Dass hierbei auch etwas Unterstützung für das Training bereitgestellt wird, versteht sich von selbst.

Das Laufteam probiert das Produkt aus und kommuniziert erste Erfolge direkt an die Kollegen und andere Kunden in Ihrem Netzwerk.  Aber auch Anlaufprobleme des Produkts werden schnell erkannt und über das „Buddynetzwerk“ der Accounter und Assistentinnen direkt an Ihre „Freunde“ in der Produktion und dem Marketing  weitergeleitet. Kleine Fehler können so schnell behoben werden, ohne dass ein großer bürokratischer Prozess angestoßen wird.

Die sechs Mitarbeiter behalten das neue Produkt nicht für sich, sondern posten es auf Xing und Facebook.

Natürlich reagiert nicht jeder Ihrer Kontakte. 90% bleiben inaktiv. Aber 10% schauen sich das neue Produkt an, das gilt insbesondere für Kontakte der Vertriebsassistentinnen. Klingt nach nicht viel, aber bei 200 Kontakten zu Kollegen, die jeder der Accountinhaber hat, sind es 20 andere Accounter, die reagieren. Bei sechs Accountern im Team der Laufgruppe, damit in Summe 120 Kollegen. Und das schafft Bewegung, auch in den Zahlen!

Als bei der Weihnachtsfeier einige nicht so gut vernetzte Mitarbeiter nachfragen, warum sie denn keiner über dieses neue Produkt informiert hat und die übrigen laut lachend sagen "selber schuld", ist der Erfolg der Kampagne bestätigt.

Das ist in bester Ordnung, denn:

Menschen unterscheiden sich insbesondere darin, wie viele Bekanntschaften zu anderen Individuen sie haben. Die Anzahl der Beziehungen ist nicht etwa gleich verteilt, sondern folgt dem Potenzgesetz d.h. einige wenige Menschen haben einen Großsteil der Beziehungen.

Besonders augenfällig ist diese Eigenschaft menschlicher Netzwerke bei der Verbreitung von Aids geworden. Gerade hier stellte sich heraus, dass die durchschnittliche Anzahl der Sexualpartner in etwa bei acht liegt, es aber durchaus einige wenige Menschen gibt die weit über 100, in Praxis sogar bis in die tausende gehende Anzahl an Sexualpartnern haben.  Gerade sie waren entscheidend für die extrem schnelle Verbreitung von Aids verantwortlich. Gaetan Dugas, ein Steward einer französisch kanadischen Fluglinie, so sagt man, war mit 2500 Sexualpartnern der Patient null der AIDS-Epidemie und entscheidend verantwortlich für die schnelle Verbreitung dieser Krankheit.

Dieses Potenzgesetz gilt universell für alle Merkmale einer sozialen Gemeinschaft – z.B. auch das Einkommen. (5% der Einwohner der Bundesrepublik Deutschland besitzen fast die Hälfte des gesamten Eigentums dieses Landes….)

Soziale Netze wie Xing und Facebook haben dieses Potenzgesetz als entscheidende Eigenschaft mit eingebaut.  Ihr signifikantes Kennzeichen ist, dass es immer einige wenige Mitglieder gibt, die eine bedeutend höhere Anzahl an Kontakten haben als andere Mitglieder. 

Diese sind von extremer Bedeutung für das Wachstum solcher Netzwerke.  Denn die Wahrscheinlichkeit, dass eine neue Vernetzung gerade an den Knoten entsteht, die bereits viele Verbindungen haben, ist höher als die, dass eine Vernetzung an Knoten entsteht, die einige wenige Vernetzungen haben. Wer viele Bekannte hat, gewinnt leichter welche dazu als jemand, der wenige Bekannte hat -„Wer hat, dem wird gegeben“.

Auch in Unternehmen unterscheiden sich die Mitarbeiter in Bezug auf den Grad ihrer Vernetzung.  Jeder kennt die ein oder zwei Mitarbeiter, die jeder kennt. Gerade sie zu ermitteln und für den Aufbau einer schnellen Kommunikation nutzen ist eine entscheidende Führungsaufgabe.

Denn sie sind der beste Weg, Nachrichten schnell zu verbreiten.  Die Suche wird dabei nicht ins Leere laufen, denn:  Es gibt Sie in jedem Fall - die Zahl der Vernetzungen verteilt sich ja nach dem Potenzgesetz. Das heißt, es wird immer einige wenige geben, die um Klassen besser vernetzt sind als andere. Sie zu identifizieren ist die entscheidende Aufgabe.

Gerade diese hoch verdrahteten Mitarbeiter sind die Ersten, die mit hoher Wahrscheinlichkeit neue Informationen erhalten werden. Sie können damit auch als Frühwarnanzeige / Stimmungsbarometer fungieren. Weiß man was sie denken, ist man mit hoher Wahrscheinlichkeit über den Zustand des Gesamtnetzwerks und seiner Veränderung informiert.

 Tipps für Ihre Anwendung:

1.) Legen Sie fest, welche Ziele Sie haben. Welchen Sachverhalt/Nachricht möchten Sie multiplizieren? Definieren Sie ihn.

2.) Analysieren Sie, wer alles diesen Sachverhalt multipliziert. Wer sind die Träger der Nachricht? Lassen Sie sich dabei nicht durch den ersten Eindruck täuschen. In den wenigsten Fällen ist der spätere Käufer/Empfänger auch der beste Träger einer Nachricht.

Wollen Sie Väter erreichen, sprechen Sie die Söhne an, bei Müttern die Töchter und bei Accountern die Assistenzen.

Wer die richtige Trägerwahl trifft, hat schon fast gewonnen, dieses gilt umso mehr, als eine innovative Trägerwahl sicherstellt, dass eine unverbrauchte, noch nicht von den Botschaften überschüttet und taub gewordene Zielgruppe erreicht wird.

3.) Beachten Sie das Potenzgesetz. Sie brauchen nicht jeden dieser Träger zu kontaktieren; es gibt immer!!! einige wenige, bei denen alles zusammenläuft. Freiwillig. Also nicht wegen der Hierarchie, sondern wegen der Vernetzung. Die sind gemeint. Die sind es die Sie suchen. Auf die können Sie sich konzentrieren, das spart Zeit und Arbeit.

4.) Das fällt bei Xing und Facebook leichter als im eigenen Unternehmen. Bei Xing schauen Sie nach der Zahl der Kontakte…und im Unternehmen? – gehen Sie in die Kantine! Schauen Sie doch mal nach, wer mit wem am Tisch sitzt. Und um welchen Tisch die meisten Leute sitzen. Das sind die Meinungsmacher – die wollen Sie erreichen. Wenn Sie die überzeugen, übernehmen sie den Rest.

5.) Am Rande - Vergessen Sie dabei die Sekretariate nicht. Allerdings nur die, die mit allen reden und mit denen geredet wird, in der Kantine, auf dem Flur etc.. Also beispielsweise keine Vorstandssekreteriate, sondern solche, die Kontakte haben, in der Buchhaltung, dem Controlling, Personalwesen und dem Marketing. Mit denen reden Sie. Beim nächsten Mittagessen haben Sie dann das Thema am Tisch bestimmt. Und können sicher sein, dass nach der Mittagspause alle Bescheid wissen.