Sonntag, 18. Dezember 2011

Der optimale Nachbrenner im Jahresendgeschäft – Xing, ausgewählte Mitarbeiter und das Potenzgesetz

Ein Unternehmen möchte im 2. Halbjahr ein innovatives Produkt in den Markt bringen. Keine einfache Aufgabe. Das klassische Marketingbudget ist ausgeschöpft. Für große Anzeigenkampagnen ist kein Geld mehr vorhanden.

Man beschließt sich darauf zu konzentrieren die Außendienstler für das neue Produkt zu gewinnen. Leider sind die großen Außendienstveranstaltungen vorbei, da es schon Ende des dritten Quartals ist. Man wird also keine gemeinsamen Termine finden, auf dem das Produkt allen 1000 Außendienstlern der Firma präsentiert werden kann.

Auf der anderen Seite ist man überzeugt, dass eine reine Vorstellung per Email-Kampagne nicht ausreicht, um das Produkt richtig zu positionieren und zu kommunizieren. Auch Videokonferenzen, so die Erfahrung des Unternehmens, reichten nicht aus, um intern wie extern zu überzeugen. Man konzentriert sich deshalb darauf, die entscheidenden Schlüsselaußendienstler anzusprechen.

Diese sind nicht etwa die Außendienstler mit den meisten Umsatz. Die Quotenkönige sind zwar hoch angesehen im Kreise der Kollegen, meistens aber nicht gut mit diesen vernetzt, da sie sich ausschließlich auf ihr Geschäft und weniger auf die Kommunikation im Kollegenkreis konzentrieren.

Zielgruppe sind die Außendienstler, die am ehesten Zeit in die Kommunikation unter ihresgleichen investieren.

Nach einigem Nachdenken und Blick in die Mitarbeiterfirmenliste bei Xing wird man fündig: Eine Laufgruppe aus sechs Außendienstlern und Vertriebsassistentinnen, welche sich seit einem halben Jahr auf den Berlin-Marathon vorbereitet.

Die Mitglieder sind nicht gerade die umsatzstärksten, liegen aber gut im Mittelfeld. Dafür zeichnet sie aus, dass sie zu ihren übrigen Kollegen und zu anderen Kunden hochgradig vernetzt sind. Man tauscht sich aus, trifft sich am Wochenende zum grillen. Der Blick in die „Neuigkeiten aus Ihrem Netzwerk“ bei Xing  gehört  dreimal am Tag zu Ihren liebsten Ritualen – die Zahl der Kontakte ist vierstellig. Das macht es für die Vertriebsführung leicht sie zu identifizieren.

Hier findet man die entscheidende Zielgruppe für die erste Kommunikation des neuen Produkts. Ein Abend im Rahmen des Trainings für den Marathon wird darauf verwendet, das Produkt vorzustellen und für die neue Innovation zu werben. Dass hierbei auch etwas Unterstützung für das Training bereitgestellt wird, versteht sich von selbst.

Das Laufteam probiert das Produkt aus und kommuniziert erste Erfolge direkt an die Kollegen und andere Kunden in Ihrem Netzwerk.  Aber auch Anlaufprobleme des Produkts werden schnell erkannt und über das „Buddynetzwerk“ der Accounter und Assistentinnen direkt an Ihre „Freunde“ in der Produktion und dem Marketing  weitergeleitet. Kleine Fehler können so schnell behoben werden, ohne dass ein großer bürokratischer Prozess angestoßen wird.

Die sechs Mitarbeiter behalten das neue Produkt nicht für sich, sondern posten es auf Xing und Facebook.

Natürlich reagiert nicht jeder Ihrer Kontakte. 90% bleiben inaktiv. Aber 10% schauen sich das neue Produkt an, das gilt insbesondere für Kontakte der Vertriebsassistentinnen. Klingt nach nicht viel, aber bei 200 Kontakten zu Kollegen, die jeder der Accountinhaber hat, sind es 20 andere Accounter, die reagieren. Bei sechs Accountern im Team der Laufgruppe, damit in Summe 120 Kollegen. Und das schafft Bewegung, auch in den Zahlen!

Als bei der Weihnachtsfeier einige nicht so gut vernetzte Mitarbeiter nachfragen, warum sie denn keiner über dieses neue Produkt informiert hat und die übrigen laut lachend sagen "selber schuld", ist der Erfolg der Kampagne bestätigt.

Das ist in bester Ordnung, denn:

Menschen unterscheiden sich insbesondere darin, wie viele Bekanntschaften zu anderen Individuen sie haben. Die Anzahl der Beziehungen ist nicht etwa gleich verteilt, sondern folgt dem Potenzgesetz d.h. einige wenige Menschen haben einen Großsteil der Beziehungen.

Besonders augenfällig ist diese Eigenschaft menschlicher Netzwerke bei der Verbreitung von Aids geworden. Gerade hier stellte sich heraus, dass die durchschnittliche Anzahl der Sexualpartner in etwa bei acht liegt, es aber durchaus einige wenige Menschen gibt die weit über 100, in Praxis sogar bis in die tausende gehende Anzahl an Sexualpartnern haben.  Gerade sie waren entscheidend für die extrem schnelle Verbreitung von Aids verantwortlich. Gaetan Dugas, ein Steward einer französisch kanadischen Fluglinie, so sagt man, war mit 2500 Sexualpartnern der Patient null der AIDS-Epidemie und entscheidend verantwortlich für die schnelle Verbreitung dieser Krankheit.

Dieses Potenzgesetz gilt universell für alle Merkmale einer sozialen Gemeinschaft – z.B. auch das Einkommen. (5% der Einwohner der Bundesrepublik Deutschland besitzen fast die Hälfte des gesamten Eigentums dieses Landes….)

Soziale Netze wie Xing und Facebook haben dieses Potenzgesetz als entscheidende Eigenschaft mit eingebaut.  Ihr signifikantes Kennzeichen ist, dass es immer einige wenige Mitglieder gibt, die eine bedeutend höhere Anzahl an Kontakten haben als andere Mitglieder. 

Diese sind von extremer Bedeutung für das Wachstum solcher Netzwerke.  Denn die Wahrscheinlichkeit, dass eine neue Vernetzung gerade an den Knoten entsteht, die bereits viele Verbindungen haben, ist höher als die, dass eine Vernetzung an Knoten entsteht, die einige wenige Vernetzungen haben. Wer viele Bekannte hat, gewinnt leichter welche dazu als jemand, der wenige Bekannte hat -„Wer hat, dem wird gegeben“.

Auch in Unternehmen unterscheiden sich die Mitarbeiter in Bezug auf den Grad ihrer Vernetzung.  Jeder kennt die ein oder zwei Mitarbeiter, die jeder kennt. Gerade sie zu ermitteln und für den Aufbau einer schnellen Kommunikation nutzen ist eine entscheidende Führungsaufgabe.

Denn sie sind der beste Weg, Nachrichten schnell zu verbreiten.  Die Suche wird dabei nicht ins Leere laufen, denn:  Es gibt Sie in jedem Fall - die Zahl der Vernetzungen verteilt sich ja nach dem Potenzgesetz. Das heißt, es wird immer einige wenige geben, die um Klassen besser vernetzt sind als andere. Sie zu identifizieren ist die entscheidende Aufgabe.

Gerade diese hoch verdrahteten Mitarbeiter sind die Ersten, die mit hoher Wahrscheinlichkeit neue Informationen erhalten werden. Sie können damit auch als Frühwarnanzeige / Stimmungsbarometer fungieren. Weiß man was sie denken, ist man mit hoher Wahrscheinlichkeit über den Zustand des Gesamtnetzwerks und seiner Veränderung informiert.

 Tipps für Ihre Anwendung:

1.) Legen Sie fest, welche Ziele Sie haben. Welchen Sachverhalt/Nachricht möchten Sie multiplizieren? Definieren Sie ihn.

2.) Analysieren Sie, wer alles diesen Sachverhalt multipliziert. Wer sind die Träger der Nachricht? Lassen Sie sich dabei nicht durch den ersten Eindruck täuschen. In den wenigsten Fällen ist der spätere Käufer/Empfänger auch der beste Träger einer Nachricht.

Wollen Sie Väter erreichen, sprechen Sie die Söhne an, bei Müttern die Töchter und bei Accountern die Assistenzen.

Wer die richtige Trägerwahl trifft, hat schon fast gewonnen, dieses gilt umso mehr, als eine innovative Trägerwahl sicherstellt, dass eine unverbrauchte, noch nicht von den Botschaften überschüttet und taub gewordene Zielgruppe erreicht wird.

3.) Beachten Sie das Potenzgesetz. Sie brauchen nicht jeden dieser Träger zu kontaktieren; es gibt immer!!! einige wenige, bei denen alles zusammenläuft. Freiwillig. Also nicht wegen der Hierarchie, sondern wegen der Vernetzung. Die sind gemeint. Die sind es die Sie suchen. Auf die können Sie sich konzentrieren, das spart Zeit und Arbeit.

4.) Das fällt bei Xing und Facebook leichter als im eigenen Unternehmen. Bei Xing schauen Sie nach der Zahl der Kontakte…und im Unternehmen? – gehen Sie in die Kantine! Schauen Sie doch mal nach, wer mit wem am Tisch sitzt. Und um welchen Tisch die meisten Leute sitzen. Das sind die Meinungsmacher – die wollen Sie erreichen. Wenn Sie die überzeugen, übernehmen sie den Rest.

5.) Am Rande - Vergessen Sie dabei die Sekretariate nicht. Allerdings nur die, die mit allen reden und mit denen geredet wird, in der Kantine, auf dem Flur etc.. Also beispielsweise keine Vorstandssekreteriate, sondern solche, die Kontakte haben, in der Buchhaltung, dem Controlling, Personalwesen und dem Marketing. Mit denen reden Sie. Beim nächsten Mittagessen haben Sie dann das Thema am Tisch bestimmt. Und können sicher sein, dass nach der Mittagspause alle Bescheid wissen.

Sonntag, 27. November 2011

Der optimale Vertrieb - Ein Programm in 10 Schritten

Ein Vertrieb in einem großen Dienstleistungsunternehmen. Man arbeitet im Bereich Firmenkunden, bei erklärungsbedürftigen Dienstleistungsprodukten. Der Markt ist von hoher Konkurrenz geprägt.  Um jeden Lead kämpft man mit mindestens drei anderen, im Prinzip vergleichbaren, Mitbewerber.

Der Verkauf setzt auf Direktvertrieb. Marketing, Flyer, Broschüren oder Kongresse werden soweit nötig unterhalten. Die Masse der Budgets fließt in die Vertriebsmannschaft und in dem Besuch beim Kunden vor Ort.

Die Mannschaft besteht aus Originalen. Keine weich gespülten Standardvertriebler. Alle über  40. Leute, denen man anmerkt, dass sie im Leben schon etwas erlebt haben. Mit Kanten.  Die wissen, was sie wert sind.

Der Vertriebsleiter hat darauf geachtet, dass jeder seiner Mitarbeiter schon einmal eine Lebenskrise erfolgreich überwunden hat. Scheidung, finanzielle Schwierigkeiten, gescheiterte Existenzgründung, ein Rauswurf, für ihn Gründe sich näher mit einem solchen Bewerber zu befassen.

Der Vertrieb ist legendär für seine Feiern. Vertriebstagungen sind durch umfangreiche Ehrungen, Erfolgsgeschichten und abendliche Feierlichkeiten gekennzeichnet. Es gibt eine Vielzahl an Firmengeschichte, in die neue Mitarbeiter bei dieser Gelegenheit eingeweiht werden. Legenden über große Abschlüsse und ehrenvolle Niederlagen. Von Hilfe unter Kollegen, von dem Auftrag der dann doch noch kam, von dem Auftrag den man abgelehnt hat, obwohl das Jahresziel noch nicht erreicht war....usw.

Und die Witze!. Einer der Vertriebsleiter hat sie in einem Buch zusammengefasst. Eine Loseblattsammlung, die ständig wächst.

Regelmäßig finden Verkaufstrainings statt. Die Trainer sind alle ausgewiesene Originale und Vollblutverkäufer. Sie haben viel erlebt. Und können darüber erzählen!. Es geht natürlich um Methodik das Verkaufens. Um Kommunikation, Einwandbehandlung. Vor allem aber geht es auch darum, wer man ist und wer nicht, was man tut als Verkäufer des Unternehmens und was nicht.

Der Vertrieb liegt Wert darauf, das neue Mitarbeiter nicht alleine ihre Arbeit beginnen. Ihr erster Tag ist grundsätzlich eine Vertriebstagung. So kommen Sie hinein, werden gleich von Anfang an mit den Mythen der Organisation konfrontiert und lernen, wofür das Unternehmen steht. 

Erfolge werden regelmäßig publiziert und genau analysiert. Jeder Auftrag ab einer bestimmten Größenordnung wird detailliert berichtet, analysiert warum er geklappt hat, wie es mit der Konkurrenzsituation aussah, wie die Kundensituation beschaffen, welches Produkt und welche Leistung angeboten war. 

Niederlagen, sind Grund für ein Schulterklopfen, die Unterlagen zu Deal und Verhandlung werden sofort vernichtet, konsequent darauf geachtet, das ein Mitarbeiter mit einem solchen Verlust schon am nächsten Morgen an mindestens zwei frischen Neukunden arbeitet. 

Das ist in bester Ordnung, denn:

Nur in einem Bereich der Organisation sind Fehler Normalfall: Im Verkauf.

Schafft es ein Vertrieb in einem wettbewerbsintensiven Markt  40% der Angebote zu Aufträgen zu wandeln oder 10 % der Kontakte zu Auftragegebern zu machen arbeitet er hervorragend und besser als viele Organisationen. Trotzdem bedeutet auch diese gute Wandlungquote, das in 90% der Fälle ein Kontakt nicht zum Auftrag führt, das trotz aller Arbeit und allen Schweißes, auch bei hervorragenden Angeboten 60% fehlschlagen.

Ein Verkäufer ist aus diesem Blickwinkel jemand der in der Hauptsache Niederlagen erlebt, eine Verkaufsorganisation ein Bereich, der in der Hauptsache Niederlagen produziert.

Die entscheidende Frage ist also: Wie strukturiert man eine solche Organisation, deren Hauptaufgabe es ist, produktiv und effizient mit Fehlern und Niederlagen umzugehen.

Konzentriert man sich auf die Analyse von Fehlern und Niederlagen oder Siegen?

Wie schafft es die Verkaufsorganisation Distanz zu diesen Niederlagen zu erreichen, immer wieder gut gelaunt den Kunden entgegenzutreten, wissend, dass in 90% der Fälle, an denen man den Telefonhörer aufhebt, nichts draus wird.

Der New Yorker Psychologen George Bonanno hat eine auch für Organisationen sehr relevante These: Mit traumatischen Erfahrungen geht man am besten durch Verdrängen um.

Leitbild ist für Ihn der Verdrängungskünstler, der sich nicht lange mit den unangenehmen Seiten des Lebens aufhält.

"Shit happens", warum also groß darauf herumreiten.

Besonders bedeutsam ist die Rolle des Humors als Stressabbauer: Lachen hilft den Trauernden, weil es die psychologische Distanz zum Stress abbaut.

Es geht also um die geistige Flucht nach vorn, die ausschlaggebend ist, für die Fähigkeit, trotz des unvermeidbaren Maßes an Unglücks und Tiefschlägen, die das Leben bereithält, die emotionale Balance zu halten.

Humor, drüber lachen können, ist wichtig: In Vertrieben wird viel gelacht, gefrozelt, Zotten gerissen.

Und das ist gut so, wenn die These von George Bonanno stimmt.

Ja noch mehr: Man muss es produzieren, fördern, strukturieren.

Nicht über Fehler reden, sondern über Erfolge, Möglichkeiten des gemeinsamen Lachens schaffen, Distanz aufbauen, die geistige Flucht nach vorne organisieren. 

Mythen, eigene Ziele, die Schaffung einer eigenen Identität, die nicht auf den Kunden und seine unberechenbaren Reaktionen ausgerichtet ist, sondern sich selber Wert und Inhalt gibt – all das sind Mittel diese Distanz zu schaffen und zu steuern. 

Anwendung – in 10 Schritten zum optimalen Vertrieb:

1.) Schaffen Sie sich und ihren Führungskräften das richtige Mindset:

1.1.) Seien Sie ehrlich: Sie machen Fehler. Auch und gerade im Vertrieb. Gut so!.

1.2.) Vergessen Sie Kundennähe im Verkauf!  Vergessen Sie sie!!  Jetzt!!!

Ihr Job ist es, aus Interessenten Kunden zu machen. Sie arbeiten mit Interessenten, Leads, Opportunities - nicht mit Kunden. Das werden vielleicht welche - sie sind es aber noch nicht.

Kunden kennt man - Leads nicht. Man weiß nicht was sie wirklich wollen. Wer sie sind. Was die antreibt. Ob sie passen. Deshalb werden aus den meisten Leads keine Kunden. Es passt nicht. Sie wollen nicht. Jemand anders passt besser...

Wie auch immer. Wenn sie gut sind, werden 20% der Leads Kunden, wenn Sie brillant sind vielleicht 30%. Mehr nicht. Da können Sie noch so viel tun.

1.3.) Fragen Sie sich, wer sie sind und wofür sie stehen. 

Was macht ihr Unternehmen aus. Hören Sie dabei nicht auf ihre Kontakte, Leads oder Opportunities. Die sagen ja hauptsächlich nein zu ihnen. Dass sie nicht passen. Dort werden Sie sich also nicht finden.

Schauen Sie nach innen. Wer sind Sie. Und wofür stehen Sie. Finden Sie diese Antwort, bevor sie weitermachen.

Und denken Sie daran: Diese Antwort muss viele Neins aushalten. Sie muss Leute begeistern, Mitarbeiter immer wieder dazu bewegen, neu aufzustehen.

Machen Sie sich dabei nicht von ihren Leads abhängig. Sie arbeiten für das, für was sie stehen. Nicht für ihre Leads.

Sie werden es sowieso nicht schaffen aller Menschenfreund zu werden. Seien Sie wenigstens Ihr eigener.

2.) Sie haben gefunden, wofür sie stehen? Gut. Schreiben Sie es auf. Lernen Sie es auswendig.

3.) Brechen Sie es herunter. Verständlich, auch für ihre Mitarbeiter. Was bedeutet das, wofür sie stehen, für ihre Organisation. Was tut man dann, was tut man nicht. Was bedeutet es für ihre Leistungen, für ihre Produkte. Was passt ins Portfolio und was nicht.

4.) Beschränken Sie sich dabei nicht nur auf eine Sachargumentation. Emotionen sind wichtig. Stolz noch mehr. Suchen Sie in der Vergangenheit, in dem, was man in ihren Vertrieb erzählt.

Welche Geschichte passt für das, was Sie sein wollen. Welche ist ein "Gleichnis" für das, wofür Sie stehen.

Wenn sie nichts finden, erfinden Sie etwas.

Erzählen Sie diese Gleichnisse. Immer wieder. Reden Sie von den Geschichten, die den Kern dessen ausmachen, wofür ihre Organisation und sie selber stehen.

Schaffen Sie Mythen

5.) Prüfen Sie Ihr Umfeld. 

Entfernen Sie alles, was nicht zudem passt, wofür sie stehen. Rigoros!.
Seien es Mitarbeiter, Aktivitäten, Produkte, Leistungen.Und Leads!
Sie brauchen eine klare Form um den Sturm des Neins zu überstehen.

6.) Vergessen Sie nicht zu lachen. 

Wenn sie durch die Gänge ihrer Organisation gehen und nicht mindestens in jedem zweiten Zimmer alle 5 Minuten Lachen hören, läuft irgendetwas schief. Schaffen Sie Gelegenheiten zusammen zu lachen. Lernen Sie Witze.

Achten Sie bei der Einstellung auf das richtige Verhältnis. Von Ernsten, zu Leuten die mit Spaß kommunizieren können. Sorgen Sie für Humor. Er ist wichtiger als die nächste Prämie.

7.) Feiern sie ihre Siege. Spontan und, etwas später, noch einmal organisiert.  Zeichnen sie aus.  Schaffen Sie Ehrenzeichen.  Orden sind ein gutes Mittel. Etwas, was keine Kunden geben können, sondern nur das Unternehmen selbst.  Was man nicht am Markt kaufen kann.

Gibt es nicht in der Wirtschaft ?!- na und!!!  Schaffen Sie sie!.
 
8.) Analysieren Sie, warum es gut geklappt hat.  Was waren die Faktoren?  Was war hier anders? ... Prüfen Sie, was davon multiplizierbar ist. Was man woanders anderes macht.

9.) Ignorieren Sie ihre Niederlagen. Aus Fehlern lernt man nichts.  Es sein denn Sie sind Masochist.

10.) Beginnen sie bei 1. Mindestens einmal im Jahr.

Sonntag, 16. Oktober 2011

Die optimale Kontaktmaschine: Der "Super Hub" auf Facebook – und nicht der Stammkunde

Ein Badezimmermöbelhersteller ist unzufrieden mit seiner Neukundenquote. Man hat im Stammkundengeschäft zwar eine gute Ausschöpfung erreicht, aber die Anzahl der Neukundenbestellungen sinkt.

Natürlich hat man reagiert. Eine Neukundenprämie für die Handelsvertreter wurde ausgelobt, die Messearbeit verstärkt, selbst Print Anzeigen geschaltet. Allein die Neukundenquote bleibt konstant und wächst nicht.

Neue Wege sind gesucht: Man schreibt bei Facebook einen Wettbewerb aus. Wer die meisten Kontakte zu der Firmenseite auf Facebook einlädt, profitiert - nicht mit einer Reise, sondern mit mehr Bekanntheit: Seine Facebook Seite wird, unterstützt vom Unternehmen, mit allen Mitteln des viralen Marketings bekannt gemacht.

Die Aktion zeigt schnell Wirkung, einzelne Netzaktivisten schaffen es, bis zu 7-800 Mitglieder auf die Seite des Unternehmens zu bekommen. Insgesamt hat die Seite schnell 20.000 Freunde, das Unternehmen erreicht hier eine Wandlungsquote von 20% in Richtung einer Informationen über die Produkte, sodass 4000 neue Kontakte entstanden sind. Aus diesen sind mit einer Wandlungsquote von weiteren 10% im Minimum 400 neue Kunden zu gewinnen.

Das ist in bester Ordnung, denn:

Werbung bedeutet nichts weiter als Kommunikation in sozialen Gemeinschaften. Will ich als werbendes Unternehmen meine Botschaft kommunizieren, ist es mein Auftrag, möglichst viele Mitglieder der Gemeinschaft mit meiner Nachricht zu konfrontieren. Aber wie?:

Gemeinschaften strukturieren sich als soziale Netzwerke, zum Beispiel als Freundeskreise, Cliquen, Clubs.

Diese Kreise sind durch einzelne Menschen miteinander verbunden, die sowohl in dem einen, wie in dem anderen Freundeskreis eine Beziehung haben. Sie bilden eine Brücke zwischen den Freundeskreisen.

Solche Menschen haben oft die Eigenschaft, diese Brücke nicht nur zu einem, sondern zu einer Vielzahl von Freundeskreisen zu bilden. Sie werden damit zu Knoten (Hubs), die die einzelnen Freundeskreise zu einem Netzwerk zusammenfügen.

In allen soziale Gemeinschaften gibt es Mitglieder, die eine, um ein vielfaches größere Zahl an Beziehungen haben, als andere Mitglieder.

Während Menschen traditionellerweise nur eine enge Zahl an Freundschaftsbeziehungen pflegen,  haben diese speziellen Mitglieder der menschlichen Gesellschaft 500 bis mehrere 1000 Beziehungen. Sie werden deshalb in der Theorie sozialer Netzwerke Super Hub genannt.

Gerade diese Super Hubs sind die ideale Zielgruppe für Werbe und Kommunikationsmaßnahmen eines Unternehmens, wenn Nachrichten möglichste effizient von A nach B gebracht werden sollen.

Sie gilt es zu identifizieren, anzusprechen und für die Weitergabe der Nachricht zu gewinnen.

Tipps für Ihre Anwendung:

1.) Identifizieren Sie die Hubs:

Super Hubs haben viele Beziehungen. Die Vielzahl am Beziehungen bedeutet aber automatisch, dass die einzelne Beziehung meist nur schwach ist. 

Diese Personen werden also gerade nicht unter den engen Freunden zu finden sein. Sie sind eher unter den weit entfernt liegenden Gelegenheitsbekanntschaften zu suchen. (Bestes Beispiel hierfür ist, dass man einen neuen Job nicht im engeren Bekanntenkreis (hier wüsste man schon längst davon), sondern eher über nur lose Bekannte findet, die in Ihrem Bekanntenkreis von einer Möglichkeit gehört haben.)

Überträgt man dieses Bild auf das Unternehmen, wird klar, dass die Identifikation dieser Personen eine besondere Aufgabe ist. Sie werden nicht unter den Stammkunden zu finden sein. Möglicherweise haben sie überhaupt keine enge Beziehung zum Unternehmen. Wahrscheinlich sind sie keine Kunden oder nur Einmalkunden: Kaufhäufigkeit ist kein Selektionsmerkmal für einen Super Hub - er hat anderes zu tun als zu Kaufen - nämlich Beziehungen zu pflegen!!!

Realistisch sind diese Personen also wahrscheinlich noch nicht einmal in Kontakt zum Unternehmen getreten. Es sind gerade nicht die üblichen Verdächtigen des Netzwerks, in dem das Unternehmen sich bewegt.

Peers, Einflussgeber, Berater, alle die mit dem Unternehmen verbunden sind - sie sind es nicht.
Gerade auf sie aber bezieht sich ein Großteil der Unternehmenskommunikation. Gerade auf sie entfällt ein Großteil der für die Kommunikation aufgewendeten Mittel. Damit sind letztere aber oft falsch eingesetzt, wenn die Kontaktgewinnung das Ziel sein soll.
2. ) Sprechen Sie die Hubs an, aber richtig:

Wichtig ist, dass diese Super Hubs nicht selber Kunde, sondern nur Träger der Botschaft sein müssen.

Sie sind nur der Bote und nicht der Akteur. Sie sollen die Nachricht nur in einen weiteren Cluster, der vom Unternehmen nicht selbst erreicht werden kann, tragen.

Dieses ist besonders bedeutsam, da die meiste Unternehmenskommunikation darauf abgezielt ist, Handlungen zu erreichen. Diese Kommunikation ist damit für diese Boten nicht geeignet.

Sie brauchen eine eigene, spezifische Kommunikation, die auf ihre besondere Rolle der Hubs ausgerichtet ist.

3.) Gewinnen Sie die Hubs - auf Dauer:

Diese Multiplikatoren dafür zu gewinnen, die Nachricht des Unternehmens weiterzuleiten, ist keine einfache Aufgabe.

Denn mit hoher Wahrscheinlichkeit werden Sie an der Nachricht selbst kein Interesse haben. Dieses gilt auch für die Beziehung zum Unternehmen.

Besser ist es, sich an ihrer Rolle auszurichten: Niemand unterhält ein großes Beziehungsnetzwerk, wenn ihm diese Beziehungen und insbesondere ihre Vielfalt nicht etwas wert sind.

Nicht die Nachricht, sondern die mit ihr für den Multiplikator zu erreichenden Beziehungen müssen die Nutzenargumentation für den Multiplikator bestimmen.

"Durch unsere Nachricht und ihre Weitergabe erhalten Sie neue, interessante und vielfältige Beziehungen" - das ist der Motivator für einen Super Hub - nicht die Nachricht selbst.

Hier müssen Sie ansetzen.






Sonntag, 28. August 2011

Die optimale Führung – „barbarisch“, anweisend, regelgebend, wertesetzend

Bei einem Möbel-Produzenten ist der allein verantwortliche Geschäftsführer kurzfristig abberufen worden. Er hat das Unternehmen innerhalb von 20 Minuten zu verlassen.  Bis ein Nachfolger gefunden ist, muss die verbleibende zweite Führungsebene die Aufgaben des Geschäftsführers übernehmen.

Aufgrund der schwierigen Situation ist davon auszugehen, dass die Besetzung eines Nachfolgers mehrere Monate in Anspruch nehmen wird. Formal wird die Aufgabe in dieser Zeit vom Gesellschafter übernommen, das operative Tagesgeschäft muss aber von dem neu zu schaffenden Führungsgremium der zweiten Ebene geleitet werden. 

Direkt nachdem der alte Geschäftsführer das Unternehmen verlassen hat, wird ein Treffen ausgewählter Mitarbeiter der zweiten Führungsebene einberufen.  Ihnen wird die Situation erklärt.  Der verantwortliche Gesellschafter schildert die Gründe für die Abberufung des Geschäftsführers offen. Er legt die schwierige wirtschaftliche Situation des Unternehmens völlig transparent dar und beschreibt die Ziele der Gesellschafter. Es ist ihm wichtig, den Führungskräften ohne jeden Filter den Ernst der Situation darzulegen. Auf der anderen Seite will er aber auch die Verpflichtung der Gesellschafter für einen Fortbestand des Unternehmens signalisieren. Offenheit, Verpflichtung  zum Unternehmen und Loyalität sind für ihn entscheidende Werte, gegen die der alte Geschäftsführer verstoßen hat. Auf diese Werte will er jetzt die neuen Führungskräfte verpflichten (Führung durch Werte).

Nachdem alle Führungskräfte eine Verpflichtung auf diese Werte unterzeichnet haben, stellt der Gesellschafter eine Geschäftsordnung für das neu zu installieren de Führungsteam vor.  Sie beschreibt, welche Aufgaben das Team gemeinsam wahrnimmt, wie der Entscheidungsprozess innerhalb dieses neuen Führungsteams beschaffen ist, welche Entscheidungen im Team und welche von einzelnen Personen zu treffen sind, wie die Entscheidungen vorzubereiten und wie nachzuhalten sind.  Die Regeln werden diskutiert, zum Teil ergänzt, angepasst und ebenfalls als verpflichtend für die weitere Arbeit von den Führungskräften unterschrieben (Führung durch Regeln).

Im nächsten Schritt geht es daran, persönliche Verantwortungsbereiche im Tagesgeschäft festzulegen. Die gesamten Aufgaben des alten Geschäftsführers werden gesichtet und je nach persönlicher Qualifikation, Erfahrungsschatz und Motivation auf die anwesenden Führungsmitglieder übertragen.  Für jede dieser Aufgaben wird ein Ziel verabredet,nach dem zu führen ist. Die Bandbreite der möglichen Anweisungen und Entscheidungen , die im daily business von der jeweiligen Person individuell getroffen werden können, wird abgestimmt, zudem legt man fest, wo sie eine Anweisung des Gesellschafters einzuholen hat. (Führen nach Anweisung ).

Da der ehemalige Geschäftsführer in Personalunion auch für das Marketing und die Produktentwicklung verantwortlich war, ist die Funktion vakant.  Beide Funktionen sind hochkritisch für den Erfolg am Markt und Grundvoraussetzung für den angestrebten Turn around. Der Gesellschafter beschließt, diese Funktion selbst zu übernehmen (Führung durch selber tun).

Das ist in bester Odnung, denn:

Man unterscheidet vier Arten von Führung:
  • Führung erster Ordnung = Führen durch selber tun
  • Führung zweiter Ordnung = Führen durch Anweisung
  • Führung dritter Ordnung = Führen durch Regeln
  • Führung vierter Ordnung = Führen duch Werte
Im Beispiel:  Wenn es die Führungsaufgabe ist, für einen ordentlich gedeckten Tisch bei der Gästebewirtung zu sorgen, bedeutet Führung erster Ordnung, das Glas selber auf die rechte Seite zu stellen.  Führung zweiter Ordnung ist es, die Anweisungen zu geben: "Bitte stellen Sie das Glas auf die rechte Seite". Das Aufstellen der Regel: "Wenn wir den Tisch decken, stellen wir das Glas grundsätzlich rechts" bezeichnet man als Führung dritter Ordnung. Führung vierter Ordnung ist es, einen Wert zu vermitteln: „Wir wollen gastfreundlich sein und mitteleuropäische Esskultur einhalten, entsprechend decken wir den Tisch…“

Die oben stehenden Dimensionen für die Ausgestaltung von Führung sind entscheidende Vorgaben für den Aufbau der Führungsorganisation. 

Je schneller eine Organisation regieren muss, desto eher muss sie über Regeln und Werte geführt werden.  Dieses gilt auch für den Fall, das ein direkter persönlicher Eingriff oder die Führung durch Anweisung nicht möglich ist, weil die Führungskraft situativ nicht anwesend sein kann.

Das ist bei allen flachen Organisationen der Fall. Gerade in einer Struktur mit wenigen Hierarchiestufen und großer Selbstständigkeit der geführten Mitarbeiter ist der Aufbau von Regeln und das Führen durch Werte von entscheidender Bedeutung.  Letzteres zeigt nicht zuletzt das große Gewicht von Controlling, insbesondere bei amerikanischen Unternehmen. Die in Controllingsystemen hinterlegten Regeln sind entscheidend für die Führung dieser Unternehmen und bestimmen ihr Handeln fast zu 100%.

Als besonders effizient erweist sich auch die Führung im Spagat: Das heißt über mindestens zwei, am besten möglichst weit voneinander entfernten Ebenen zu führen. Konzentriert man sich z. B. auf das Führen durch Werte, kann das Führen durch selber tun eine ideale Ergänzung sein.  Berühmtes Beispiel hierfür die Büroklammer von Bosch: "Was ist das?“, fragte der Unternehmensgründer seine Führungskräfte und zeigte auf eine am Boden liegende Büroklammer?, „Mein Geld! „ sagte er und hob sie auf.

Den Römern war das Führen erster Ordnung jedoch ein Graus: Sie bezeichneten es schlichtweg als barbarisch, wenn ein General oder Führer einer Armee selbst in den Kampf eingriff, oder gar an vorderster Linie mitkämpfte.  Ein General und Feldherr hatte aus Ihrer Sicht im Abstand zum Geschehen, auf den Feldherrn Hügel zu verbleiben und aus der Entfernung per Anweisung (Kontrolle zweiter Ordnung) zu führen.

Auf der anderen Seite wird gerade in Akademikerorganisationen und kreativen Unternehmen, wie in Redaktionen oder Werbeagenturen, massiv durch persönliche Eingriffe und Anweisung geführt.  (Führung erster und zweiter Ordnung). 

Dieses liegt insbesondere daran, dass es bei den hier getroffenen Entscheidungen vielfach kein gut oder richtig gibt, sondern nur ein „das machen wir so“.  Ob eine Anzeige gut, eine Werbekampagne passend und treffend war, stellt sich immer erst im Nachgang heraus. Im Vornherein ist keine Kampagne falsch und kein Vorschlag nicht begründbar. 

Die Diskussionen über Alternativen können endlos dauern und es braucht dann die mutige Entscheidung von alleroberster Stelle, um eine Auswahl zu treffen. Gerade in diesen Fällen werden die Chefs in Kreativorganisationen zu „Barbaren“ und greifen selbst zur Feder.

Klassische Beispiele hierfür sind die Entscheidung für die Bild Titelschlagzeile oder den Katalogtitel und das Katalogtitelbild, die in der Regel immer von Chefredakteur , vom Verleger oder eben von Michael Otto selbst getroffen werden.

Anwendung

1.) Klären Sie die Rahmenbedingungen. 

1.1.) Ihren Freiheitsgrad:  Können Sie überhaupt frei über ihren Führungsstil entscheiden oder gibt es Vorgaben durch die Organisation, innerhalb derer sie tätig sind?  Es macht keinen Sinn, ein Führungssystem aufzubauen, das 180 % der Kultur des Unternehmens und den Beispielen entgegensteht, die ihre Kollegen bei ihren Mitarbeitern setzen.

1.2.) Den Umfang des aufzubauenden Entscheidungssystems: Wieviele Entscheidungen müssen an welcher Stelle und zu welchen Zeitpunkten getroffen werden? Je weiter die Stellen auseinanderfallen, je mehr Entscheidungen zur gleichen Zeit getroffen werden müssen, desto eher müssen diese auf mehrere Entscheider verteilt werden. Konsequenz ist der Aufbau eines mehrstufigen Führungssystems.

2.) Innerhalb dieser Vorgaben können Sie jetzt Ihr eigenes Führungssystem aufbauen.  Beantworten Sie sich hier zu folgende Fragen:

2.1.) Wie kurzfristig müssen meine Entscheidungen sein? Geht es um schnelle Reaktionen in einem Börsengeschäft, um die schnelle Entscheidung am Fließband, das unter keinen Umständen stoppen darf, oder habe ich einen langfristigen Reaktionszeitraum.? Je schneller der Reaktionszeitraum, desto höher sollte die Ordnung des Führungssystem sein, das Sie implementieren. 

2.2) Wie ist der Schwierigkeitsgrad der Entscheidungen? Welche können von Mitarbeitern getroffen werden? Welche muss ich selber treffen? (Entscheidung zwischen Führung durch Regeln und Werte – hier entscheiden die Mitarbeiter – versus Entscheidung durch Sie selbst – d. h. durch Anweisung)

2.3.) Welche Informationen werden gebraucht, um die Entscheidungen zu treffen? Muss sich der Entscheider mit eigenen Augen ein Bild machen oder kann er sich auf den Bericht von Dritten verlassen? Muss er selbst situativ anwesend sein (Führung erster Ordnung) oder kann er von ferne, durch Anweisung (Führung zweiter Ordnung) agieren?

2.4.) Wie vergleichbar sind die Entscheidungssituationen?  Lassen sich aus der Vielzahl der zu treffenden Entscheidungen Muster für eine richtige Entscheidung ableiten, die dann zu Regeln und Vorgaben verdichtet werden können (Führung durch Regeln)? Oder sind die zu entscheidenden Sachverhalte chaotisch und keinem Muster folgend (entweder Führung erster oder zweiter Ordnung oder!  Führung vierter Ordnung)? Je unberechenbarer die Situation, desto niedriger oder aber gleichzeitig höher, sollte die gewählte Form der Führung sein. Für den Fall kurzfristig notwendiger Entscheidungen, die außerhalb des eigenen Führungsumfelds liegen, bleibt ausschließlich die Führung über Werte!!!

3.) Erst jetzt und innerhalb der durch die Vorstufen gegebenen Vorgaben stellen Sie sich bitte die Frage nach der Qualifikation und der Art der geführten Mitarbeiter. Je qualifizierter diese sind, desto höher und! desto niedriger sollte die gewählte Ordnung der Führung sein. Im Idealfall Führung erster Ordnung und Führung vierter Ordnung.



Sonntag, 24. Juli 2011

Die optimale Projektgröße? – ein Viertel Ihrer Mitarbeiter – mindestens!

Eine Verlagsgruppe steht vor einer großen geschäftlichen Herausforderung durch Neue Medien.  Auf der einen Seite entwickelt sich das Geschäft im Online Bereich erfreulich.  Die Zahl der Downloads steigt exponentiell.  Gleiches gilt für die erzielten Reichweiten und Klicks.  Auf der anderen Seite brechen die Erträge ein.  Die Downloads erzeugen nur einen geringen Umsatz pro Geschäftsvorfall, meist im Bereich zwischen ein bis zwei Euro.  Bei bestehender Abwicklungsstruktur und Organisation sind diese Geschäftsvorfälle aber nur zu fünfmal größeren Kosten zu bearbeiten.  Um hier Gewinn zu machen, müssen Systemplattform und Prozesse auf komplett neue Füße gestellt werden.  Ziel ist dabei die variablen Kosten pro Geschäftsvorfall radikal zu senken - Motto: variable Kosten null

Entscheidend für die Durchführung dieses Ziels ist eine neue integrierte Systemplattform, die die automatisierte Abwicklung von Geschäftsprozessen ermöglicht.  Die gesamte Arbeitsorganisation von 400 Mitarbeitern muss umgestellt  und die Geschäftsprozesse der Verlagsgruppe an die neue Form zu arbeiten angepasst werden. Dieses setzte einen umfassenden Transformationsprozess in der Organisation voraus.

Die beauftragten Berater schätzen das für die Einführung der Systemplattform eine Kapazität von etwa 10 Verlagsmitarbeitern und fünf Beratern notwendig ist. 

Die Geschäftsführung ist sich aber von Anfang an sicher, dass mit dieser Zahl an Mitarbeitern vielleicht die systemtechnischen Aufgaben, nicht aber der Veränderungsprozesse in Arbeitsweisen und Köpfen der Mitarbeiter durchzuführen ist.

Zur Schätzung der notwendigen Kapazität geht man von einer einfachen Überlegung aus:
Bei vier Mitarbeitern eines Teams sollte einer im Projekt involviert werden.  Seine Aufgabe ist es auf der einen Seite die Erfahrungen und das Wissen seiner Arbeitskollegen mit in das Projekt einzubringen.  Auf der anderen Seite soll dieser Mitarbeiter bei der Einführung des Systems seine Kollegen unterstützen und in den neuen  Abläufen, sowie Systemfunktionen schulen. 

Umgesetzt auf 400 Mitarbeiter bedeutet dieses, dass das Projektteam aus 100 Mitarbeitern besteht. 

Natürlich werden diese Mitarbeiter nicht Vollzeit und über die gesamte Projektlaufzeit im Projekt arbeiten.  Eine breite Beteiligung findet insbesondere in der ersten Projektphase bei  der Erhebung der Anforderungen für das neue System statt. 

Die hier gemachten Anforderungen werden dann von einem kleineren Team konsolidiert und in IT-Konzepte umgesetzt. Auch beim Customizing ist nur eine kleine Zahl von Experten beteiligt.

Das Testen der Software erfolgt wieder unter breiter Beteiligung möglichst aller Projektmitglieder. Nicht nur um ein fehlerfreies System zu gewährleisten, sondern gleichzeitig auch für eine erste, breite Qualifizierung zu sorgen: Motto: Test ist die beste Schulung und der Tester der beste Trainer.

Die nachfolgende Schulung der übrigen User erfolgt ebenfalls mit dem gesamten Projektteam von 100 Mitarbeitern.  Das heißt, die Mitarbeiter werden nicht durch fremde Trainer, sondern von ihren eigenen Kollegen, die ihr Arbeitsfeld kennen, geschult. 

Die neuen Prozesse und Abläufe im Verlag können so viel schneller und sicherer in Produktion gesetzt werden. Die Mitarbeiter identifizieren sich mit dem neuen System und machen sich die neuen Arbeitsformen schnell zu Eigen. 

Diese Vorzüge gleichen aus Sicht der Geschäftsführung den höheren Aufwand durch die höhere Zahl an Beteiligten mehr als aus.

Das ist in bester Ordnung, denn:

Jedes Beratungsprojekt hat eine Mindestgröße. Diese Größe ergibt sich zum einen aus dem inhaltlichen Umfang, der für die im Projekt zu leistenden ist. Diese inhaltlich gebundene  Mindestgröße muss aber nicht die tatsächliche Größe eines Beratungsprojekts sein.
 
In bestimmten Ausgangspositionen kann es durchaus Sinn machen weitaus mehr Mitarbeiter, als inhaltlich notwendig, an einem Veränderungsprozess zu beteiligen.  Dieses gilt umso mehr, je größer psychologische Faktoren für einen Projekterfolg ist.

Kann man eine SAP-Einführung zum Beispiel inhaltlich mit 10 Mitarbeitern durchführen, kann es aus den oben genannten Punkten sinnvoll sein, dieses Projekt trotzdem mit 60 bis 70 Mitarbeitern durchzuführen. 

Grund für die große Zahl an Beteiligten ist nicht die inhaltliche Arbeit, sondern der Grundsatz Betroffene zu Beteiligten zu machen, der durch Beteiligung an der Projektarbeit eine hohe Identifikation mit dem Projekt selbst und den Projektergebnissen sicherstellt.

Sinnvoll ist dieses Vorgehen, wenn der zusätzliche Koordinationsaufwand durch die größere Zahl an Beteiligten, durch einen Mehrnutzen in Richtung Identifikation ausgeglichen wird.

Tipps für Ihre Anwendung:

1.) Analysieren sie die Zielsetzung des Projekts. Worum geht es? Liegt der Fokus auf inhaltlicher Arbeit oder geht es darum eine möglichst große Anzahl der Mitarbeiter des Unternehmens in eine neue Welt hinein zu führen? Je inhaltsgetragener die Arbeit ist, desto weniger Projektbeteiligten sollten Sie vorsehen. Je größer die Veränderung, desto mehr Beteiligte sind notwendig, bei großen Veränderungen auf 4 Mitarbeiter ein Projektmitglied.

2.) Werfen Sie nun einen Blick auf die zur Verfügung stehende Mannschaft. Wie viel Mitarbeiter können Sie kapazitativ im eigenen Unternehmen für dieses Projekt freimachen.? Völlige Freistellungen sind dabei nicht unbedingt die erste Priorität, besser sind Freistellungen um 50%, da sie verhindern, dass ein Mitarbeiter komplett in die Projektarbeit abtaucht und den Kontakt zum Tagesgeschäft und zu den Kollegen verliert.  Freistellungsgrade unter 30 % sind zu vermeiden. Hier hat die Projektarbeit nicht die notwendige Priorität.  Vergleichen Sie das Ergebnis ihrer Analyse mit dem im ersten Schritten ermittelten Bedarf.  Dieser Bedarf ist ein Datum!  Falls Sie ihn kapazitativ nicht decken können, verändern sie lieber die Zielsetzung des Projekts, als mit einer nicht bedarfsgerechten Mannschaftsstärke zu starten.

3.) Bewerten Sie die zur Verfügung stehende Mannschaft qualitativ.  Natürlich geht es um fachliche Kompetenz.  Viel mehr aber noch geht es um die Fähigkeit, über den Rand des eigenen Kellers herauszuschauen.  Darum quer zu denken.  Bereit zu sein, die eigenen Erfahrungen infrage zu stellen und neu zu sehen, neu zu denken und neu zu tun. Es gilt, Konflikte auszuhalten.  Mit sich selbst.  Vor allem aber mit Kollegen.  Und noch bedrohlicher: Auch mit den Vorgesetzten.  Projektarbeit bedeutet immer, etwas Neues zu entwickeln.  Und Neues bedeutet, wenn es wirklich relevant sein soll ,Konflikte.  Diese Kompetenz muss in Grundzügen vorhanden sein.   Auch hier gilt: Sollten sie nicht genügend Leute mit dieser Kompetenz haben, verändern sie lieber die Zielsetzung des Projekts, als es mit einer kleineren Mannschaft zu versuchen

4.) Bevor Sie aber die Flinte ins Korn werfen, schauen Sie nach den Randgruppen im Unternehmen: Die jungen, hungrigen, mit den wachen Augen, die ihnen beim Gang zum Mittagessen in der Kantine begegnen.  Die alten Erfahrenen, die nichts mehr zu verlieren, aber umso mehr zu geben haben.  Setzen Sie sich 5 Minuten hin und sie werden zwei oder drei Namen im Kopf haben - sprechen Sie sie an!

5.) Zählen Sie zusammen.  Passt die Zahl?  Prima!  Haben Sie mehr Leute als sie brauchen umso besser!.  Passt es nicht, schade.  Versuchen Sie nicht bei einer Beratung Kapazität zu zukaufen.  Es geht um eigene Kräfte.  Nur diese wirken ins Unternehmen.  Beißen Sie in den sauren Apfel.  Verändern sie die Zielsetzung.  Oder stoppen Sie das Projekt.  Rigoros!

Sonntag, 29. Mai 2011

Der Jocker - "unerwartet, aber relevant"

Es gilt eine Außendiensttagung vorzubereiten. Natürlich gibt es die Standarddinge:Die Zahlen, der Bericht des Vorstands, der Stand der Dinge in der Produktentwicklung. Sie sind schnell auf der Agenda. Man achtet darauf, dass sie nicht mehr als 1/3 der Zeit füllen - "basic"

Aus Umfragen bei den Außendienstlern kennt man die Erwartungen der Kollegen, die möchten das erfolgreiche Deals besprochen werden. Das: "Was haben wir gelernt aus erfolgreichem Vertragsverhandlungen" ist ihnen wichtig. Aber auch die Auszeichnung von Kollegen, die Besonderes geleistet haben. Damit ist auch schon das zweite Drittel der Agenda gefüllt - "erwartet".

Verbleibt das Unerwartete: In der letzten Zeit gab es viel Kritik an der Verkaufsförderung: Zu zentralistisch, zu langsam, zu unflexibel. Auf der anderen Seite, aus dem Blickwinkel des Marketing gab es ähnliche Klagen, nur mit umgekehrten Vorzeichen: Keine Ideen, ständig viel zu viele Anforderungen die viel zu kurzfristig an das Marketing herangetragen werden.....

20% des neuen Marketingbudgets werden für die Veranstaltung reserviert. Jeder Außendienstler bekommt seinen Teil dieser 20% zur persönlichen Verfügung. Er allein entscheidet. Auf der Veranstaltung! Voraussetzung: Er legt einen entsprechenden Plan fest, gibt sich verbindliche Ziele, die er über erreichen wird, und bestimmt was, wann, wie, getan wird. Natürlich lässt sich ein solcher Plan nicht aus der luftleeren Hand entwickeln. Es braucht Hilfe und Unterstützung. Die gesamte Marketingabteilung ist deshalb angetreten. Jeder Außendienstler bekommt einen Mitarbeiter zugeordnet, der ihn für zwei Stunden dabei unterstützt, seinen Verkaufsföderungsplan zu entwickeln. Nicht irgendwann, sondern jetzt. An dieser Tagung.

Der Plan wird direkt entschieden und an diesem Tag freigegeben. Noch am Abend gehen die entsprechenden Aufträge an unterstützende Dienstleister.

Die Agenda zu diesem Punkt startet mit einer kurzen Einführung durch die Vertriebsleiter. Die Außendienstler wollen es nicht glauben. Eigenes Geld, zu ihrer Entscheidung. Marketingmitarbeiter die  direkt verfügbar sind. Schnell wird ihnen klar, dass es jetzt nur noch an ihnen liegt. Jetzt muss ein Plan her. Gott sei Dank haben sie zwei Stunden Zeit ihn zu erarbeiten und Hilfestellung.....

Im Nachgang ist es gerade dieser Teil, der als Jocker bei den Bewertungen die positivste Resonanz erhält...."unerwartet, aber relevant"

Das ist in bester Ordnung, denn:

Jedes Vorhaben muss Nutzen erzeugen:

o) "Basic": Das Projekt muss einen Grundnutzen liefen. Ein Implementierungsprojekt, die Implementierung, ein Prozessprojekt Prozesse und so weiter.
Dieser Nutzen ist basic. Er ist nichts besonderes, sondern die Eintrittskarte, die man liefern muss, um überhaupt im Spiel dabei zu sein. Durch ihn kann man sich wieder allein stellen, noch besondere Punkte beim Kunden sammeln. Man lieferte nur das, was der Kunde gekauft hat - Das Auto muss fahren, damit es ein Auto ist, die Beratung muss einen Rat bringen, damit sie eine Beratung ist

o) "Erwartet": der Kunde erwartet nicht nur das ein Auto fährt, sondern dass die Versprechen, die die Marke kommuniziert, eingehalten werden. Die Höchstgeschwindigkeit muss stimmen. Der Verbrauch passen. Das Image, das sein neuer Wagen bei seinem Bekannten hat auch dem entsprechen, dass die Marke kommuniziert. All das ist nur erwartet, das heißt führt dazu, dass der Kunde nicht dissonant wird, das heißt seine Erwartungen nicht erfüllt werden. Bindung erzeugt man so noch nicht, man erfüllt nur das Versprechen dass man gegeben hat.

o) "Unerwartet aber relevant": Hier geht es um Komponenten, die für den Kunden erheblich Nutzen bringen, aber vorab nicht kommuniziert wurden, also für den Kunden unerwartet sind, aber ihm trotzdem einen hohen Nutzen bieten. Diese positive Überraschung bietet die größte Bindung und schafft Alleinstellung beim Kunden. Nicht alles vorher versprechen, sondern im Projektverlauf positiv überraschen,  passend zur Marke und dem Projektziel - das ist der hohe Gral der Projektarbeit.

Anwendung:

1,) Machen Sie sich klar, wer der Kunde ist. Alles weitere bezieht sich nur auf Ihn. Es geht um seine Sicht der Dinge, was für Ihn Basic ist. Was er erwartet. Wie er zu überraschen ist. Sie können sich nicht entscheiden, kommen auf mehrere Kunden? Prima, es spricht viel dafür, dass es so sein wird und Sie mehrere Kundenpersonen mit in Ihr Kalkül mit einbeziehen müssen.

2.) Wenn Sie diese Übung schon das letzte Jahr gemacht haben, setzten sie alles was sie unter erwartet hatten auf basic. Was gestern noch besonders war, ist heute normal und morgen nicht mehr erwähnenswert.

3.) Analysieren Sie jetzt Ihr Produkt/Projekt. Aus Kundensicht wohl gemerkt. Welche Eigenschaften ordnet der Kunde im Produkt zu. Welche diese Eigenschaften ist für ihn Basic, was erwartet, was unerwartet, aber relevant.

4.) Das gleiche noch einmal. aber jetzt mit den zwei wichtigsten Konkurrenzprodukten/-projekten

5.) Prüfen Sie Ihre Listen. Bei Basic sollten in etwa genau so viele Punkte stehen wir bei der Konkurrenz. Im Falle "erwartet" eher mehr. Bei "unerwartet" in jedem Fall mehr - wenn ja, stoppen Sie an dieser Stelle, wenn nein, weiter geht's.

6.) Wenig oder gar nichts, in "erwartet" und "unerwartet"! - There is work to do, urgent work. Sie müssen Ihr Produkt/Projekt anreichern. Beginnen Sie bei den erwarteten Eigenschaften aus Kundensicht. Wie können Sie das Ergebnis ihres Projektes so ergänzen, dass die Erwartungen des Kunden eher erfüllt werden? Prüfen Sie also Ihre Projektziele und die geplanten Ergebnisse. Vergleichen Sie sie mit den Erwartungen aus Kundensicht und ergänzen Sie sie wo immer es notwendig ist.

7.) Noch wichtiger ist das Unerwartete. Dieses werden sie nicht bei Ihrem Kunden finden. Schließlich erwartet es er ja nicht. Hier müssen Sie sich in den Kunden hinein versetzen. Was könnte ihn überraschen. Positiv. Ihm einen Nutzen verschaffen, an den er noch nicht einmal gedacht hat. Seien Sie kreativ. Fragen Sie junge Leute im Projekt. In ihrer Entwicklungstruppe. Lassen Sie sich Zeit. Und geben sie sich Mühe. Dieser Punkt ist der entscheidende Punkt. Hier können Sie Land gut machen gegen einen Konkurrenten der mehr oder eher die Erwartungen des Kunden trifft.

8.) Fassen sie alles zusammen. Geben Sie Prioritäten anhand der zur Verfügung stehenden Mittel.  Und konzentrieren Sie sich eher auf das Unerwartete. Dann auf Basic!.Weil das die Eintrittskarte ist. Ohne die nichts geht. Und erst dann auf das Erwartete!

Sonntag, 1. Mai 2011

Das Jupiter Prinzip - oder: Warum Veränderung (manchmal) Not tut - auch, wenn alles in Ordnung ist

Eine Werbeagentur ist in den letzten zwei Jahren stark gewachsen. Man hat zahlreiche neue Etats gewonnen und die Mitarbeiterzahl verdreifacht.  So positiv diese Entwicklung war, lassen die letzten drei Monate den Geschäftsführer doch mit Sorge in die Zukunft blicken.

Die Hitrate bei den letzten Pitches hat sich dramatisch verschlechtert. Kunden werfen der Agentur vor, altmodisch zu sein und den Trend der Zeit zu verschlafen. Gleichzeitig kommt im Tagesgeschäft immer mehr Routine auf.  Meetings werden nach feststehender Agenda durchgezogen.  Das Wort" wie immer" wird zum prägenden Satz vieler Briefing Gespräche.

Erschwerend wirkt, dass kein klares Bild darüber herrscht, welche Veränderung im Umfeld der Agentur tatsächlich stattfindet. Trends sind widersprüchlich, Kundenaussagen unklar und so unspezifisch, das kein fachliches Konzept darauf aufgebaut werden kann.  Mehrere Versuche, eine fachlich begründete Strategie für die Neupositionierung der Agentur zu entwerfen, scheitern.

Der Geschäftsführer beschließt deshalb, auch ohne inhaltliche Strategie die Organisationsstruktur der Agentur radikal zu verändern. Er entwirft ein neues Organigramm, ordnet Verantwortungsbereiche neu. In Summe bleibt für keinen Mitarbeiter der Agentur das bestehende Aufgabenfeld unverändert.  Die meisten müssen sich auf gänzlich neue Aufgaben einstellen. Auch die Führungsorganisation wird neu gegliedert, die alleinige Geschäftsführung aufgelöst und durch eine Geschäftsleitung mit unterschiedlichen Ressorts ersetzt.

Wichtig ist den Geschäftsführer dabei gar nicht einmal so sehr die eigentliche inhaltliche Zuordnung der neuen Organisation.  Es geht ihm vor allem darum, die Routine zu brechen, neuen Wind in die Bude zu bringen und Unruhe zu stiften, wo aus seiner Sicht Friedhofsruhe herrscht.

Er will, kurz gesagt Feuer legen, einen Blitz vom Olymp schleudern, und sein Team wieder in Trab bringen.

Ihm ist klar dass er eine solche Veränderung nicht einfach verkünden kann. Sie wäre für Mitglieder außerhalb des engsten Führungskreis nicht nachvollziehbar und würde ohne inhaltliche Begründung abschreckend, autokratisch diktatorisch wirken. 

Er beschließt deshalb, die Aufgabe der Kommunikation als erstes To Do an die neue GL zu delegieren. Als Briefing gibt er die neue geplante Organisationsstruktur in die Projektrahmenbedingungen.  In mehreren Workshops mit der Geschäftsführung entwirft die Geschäftsleitungsrunde ein umfangreiches Strategie-Konzept, das in vielen PowerPoints die neue Organisationsstruktur abgeleitet.  Die Präsentation wird mehrfach überarbeitet, um für Mitarbeiter, Führungskräfte Banken und externe Kapitalgeber schlüssig zu sein.

Die Kommunikation des neuen Konzepts und die Restrukturierung wird für eine einzige Arbeitswoche festgelegt. Mitarbeiter und Führungskräfte sowie Banken werden umfassend in kürzesten Abständen informiert, die Reorganisation am Folgetag bereits umgesetzt.

Bei der ersten Sitzung der neuen Geschäftsleitung am Ende dieser Woche entstehen so viele Ideen wie noch nie. Das Wort" wie immer" fällt in den nachfolgenden Briefings an die Mitarbeiter kein einziges Mal.

Der Geschäftsführer ist zufrieden und skizziert im Geist schon die Organisation des nächsten Jahres.


Das ist in bester Ordnung, denn

Eine Unternehmensstruktur ist kein statisches Gebilde.  Sie verändert sich, wird angepasst.  Je nach Unternehmen und Branche sind Veränderungen der Unternehmensstruktur Alltagsgeschäft. Dieses gilt in guten aber natürlich noch viel mehr in schlechten Zeiten.

Warum das alles? Was bringt eine Veränderung der Unternehmensstruktur?  Bringt es wirklich etwas, für das Unternehmen von Organisationsstruktur A auf Organisationsstruktur B zu wechseln? 

Da ist zum einen ein Marketing bezogener Effekt.

Jede Veränderung der Unternehmensstruktur ist ein Zeichen für die Handlungsfähigkeit der neuen Unternehmensführung.  Neue Strukturen verkaufen sich gut. Im Allgemeinen weitaus besser als neue Prozesse oder Veränderungen in der Ablauforganisation. Diese sind schwierig zu erklären und auf einer Pressekonferenz vor Analysten nicht kommunizierbar. Wer ist Chef von was, wie sind die Verantwortungsbereiche geschnitten, etc. - das ist der archaische Stoff aus dem die Geschichten für die Magazine gemacht sind.  Gerade deshalb sind Strukturveränderungen in aktienrechtlich aufgestellten Unternehmen so beliebt.

Aber gibt es auch inhaltliche Gründe, die für eine Veränderung von Unternehmensstrukturen sprechen?

Überspitzt gesprochen geht es darum, ob die Veränderung selbst, ohne jedwede inhaltliche Begründung, zu positiven Effekten führen kann.

Und genau das ist der Fall: die Veränderung an sich, das "Neu Sein" einer neuen Organisationsstruktur, hat einen eigenen, stark wirksamen Effekt, der völlig unabhängig von den Inhalten der Veränderung ist. Alleine dadurch, dass ich eine Organisationsstruktur verändern, dass ich neue Aufgaben zuweise, Personal anders gruppiere, veränderte Arbeitsformen einführe, erziele ich einen positiven Effekt. 

Mitarbeiter und Führungskräfte sind durch die Veränderung gezwungen sich neu zu orientieren und Prioritäten zu verändern. Sie müssen alte Routinen auflösen und neue schaffen, um sich in ihrem neuen Aufgabenfeld erfolgreich durchzusetzen. Sie nehmen die Umwelt in der Phase der Umorientierung bewusster wahr und können sich in dieser Zeit leichter an Veränderungen anpassen.  Es ist eben viel leichter, einem Auto, das rollt, eine neue Richtung zu geben, als im Stand das Steuer herumzureißen.

Veränderung alleine, ohne jede inhaltliche Begründung, kann also Sinn machen.

Anwendung:

1.) Sie wollen Veränderung wirklich?  Prüfen Sie sich. Wenn das wirken soll, was Sie vorhaben, müssen sie eine echte Veränderung durchführen. Da müssen Köpfe rollen.  Und da muss umgeschichtet werden. Je rigoroser, desto besser. Das bedeutet Arbeit für Sie.  Diskussionen, Streit, Auseinandersetzung. Wollen Sie das wirklich. Ist es das wert?

2.) Sie scheinen Ernst zu machen.  Nun gut.  Überlegen Sie sich wie die Veränderung aussieht. Auf dem Papier. Für sich alleine. Vielleicht noch mit einem Berater. Gestalten Sie sie möglichst radikal.  Das bedeutet insbesondere, dass sie für alle wesentlichen Mitarbeiter eine Veränderung aufweisen muss.  Identifizieren Sie Ihre Leistungsträger.  Und verändern sie deren Aufgabenfeld und deren Verantwortungsbereiche.  Grundlegend.  Je umfassender, desto besser. Achten Sie dabei darauf, dass die neue Unternehmensstruktur mit den grundlegenden Anforderungen von Ordnung übereinstimmt.  Also alle Aufgabenfelder zugeordnet sind, usw. Und achten Sie darauf, dass die Ordnungs anders ist als die vorherige, je unterschiedlicher und umfangreicher, desto besser.

3.) Stellen Sie sicher, dass Sie während und direkt nach der Veränderung mitbekommen, wie sich Leistungsträger und Führungskräfte mit der neuen Situation auseinander setzen.  1/3 ihrer Führungskräfte und Leistungsträger wird durch die Veränderung wachsen und leistungsfähiger werden.  Ein weiteres Drittel wird sich erst langsamer mit der neuen Situation zurechtfinden, dann aber auch positiv von ihr profitieren.  Ein letztes Drittel wird an der Veränderung scheitern. Eine solche Veränderung bedeutet also immer dass sie 1/3 ihrer Mannschaft verlieren werden.  Das Spannende ist: Sie wissen nicht, wer in welches Drittel gehört.  Es gibt immer Überraschungen.  Die müssen sie erkennen.  Deshalb müssen Sie nahe an ihren Leuten sein.  Und schnell handeln, wenn es notwendig wird.

4.) Fertig? -  Prima.  Jetzt überlegen Sie eine inhaltliche Begründung.  Wichtig: Sie muss kommunikativ überzeugen, warum die Veränderung Sinn macht. Fachlich braucht sie nicht wirksam zu sein, sollte sie sogar unwirksam sein, um den Veränderungsprozesses nicht zu beschädigen.

5.) Kommunizieren Sie die inhaltliche Begründung für die Veränderung umfassend und immer wieder. An alle. Und handeln Sie konsequent, rigoros und schnell.

6.) Merken Sie sich Ihre Erfahrungen.  Und machen Sie eine Wiedervorlage: In 12 Monaten beginnt der nächste Zyklus und die nächste Veränderung. Warum Sie schon wieder verändern müssen: Weil Sie kein inhaltliches, fachlich getragenes Konzept verwirklicht haben.  Der Veränderungseffekt vermindert sich mit der Zeit.  Routinen wachsen, der frische Blick nach draußen wird durch den Unternehmensalltag getrübt, man findet sich in der Rolle zurecht, beginnt sich einzugeben.  Stoppen Sie das.  Mit einer neuen Veränderung.

7.) Sie glauben das kann man nicht endlos machen Stimmt.  Drei, maximal vier Durchgänge sind möglich.  Spätestens dann merken die Mitarbeiter, was läuft.  Und der Veränderungseffekt verschwindet.  Entweder haben Sie zu diesem Zeitpunkt ein fertiges Konzept, das wirklich trägt, oder aber einen neuen Job (Deshalb verlassen so viele Krisenmanager nach zwei Jahren ihr Unternehmen, um sich einer neuen Herausforderung zu widmen!) .