Sonntag, 23. September 2012

Video: Erfolgreich verhandeln mit Spieltheorie

Es ist dunkel geworden, die Sekretariate haben sich längst verabschiedet, von ferne dringt das Geräusch eines Staubsaugers in den Raum. Der Kaffee ist längst kalt geworden und schmeckt abgestanden. Wasser ist Mangelware - keiner traut sich aus dem Raum um Nachschub zu besorgen - zu angespannt ist die Situation Die Verhandlungen sind seit 2 Stunden festgefahren. Dabei hatte alles so gut begonnen. Der Scope war schnell verabschiedet, Zeitplan und Vorgehen brauchten länger, aber auch da war man zu einer Übereinkunft gekommen. Alle Ampeln auf grün, bis der Anwalt der Kundenseite mit einem "...da beibt dann nur noch die Frage der Haftung..." in die Verhandlungen einsteigt.

Horrorszenarien des weltweiten Ausfalls der Logistikkette kommen auf den Tisch, Haftungssummen des mehrfachen Firmenwerts des Anbieters werden diskutiert. Allein schon die Versicherungsprämie der Berufshaftpflicht für diesen Fall ist höher, als der gesamte Plan DB des Projekts...

Der Verhandlungsführer des Anbieters beschließt mit einem ungewöhnlichen Schritt in die Offensive zu gehen: Er legt die Projekt-Kalkulation offen, gibt detaillierten Einblick in die Planergebnisrechnung des Projekts,... zeigt, warum er nicht auf die Forderungen der Kundenseite eingehen kann,..."...auch Sie selbst würden einen solchen Vertrag nicht unterschreiben." schließt er.

Die Offenheit macht Eindruck. Der GF der Kundenseite unterbricht seinen Juristen, der schon zur Gegenantwort ansetzt, "Was schlage Sie vor?" fragt er..."

Das ist in bester Ordnung, denn

Verhandeln ist eine der grundlegenden Herausforderungen im Verkauf. Aber nicht nur dort. Zwei oder gar noch mehr Parteien zu einer Übereinkunft zu bewegen, die allen Seiten dauerhaft Nutzen bringt, ist eine hohe Kunst in allen Bereichen des Lebens.

Gibt es einen sicheren Weg "gut" zu verhandeln, ein Rezept, erfolgreich zu sein?

Ja, sogar ein wissenschaftlich abgesichertes! Mit der experimentellen Spieltheorie hat sich in den letzten Jahre eine Theorie entwickelt, die praktische Handlungsanleitungen und Strategien für eine erfolgreiche Verhandlungsführung bietet.

Welche Strategien hier möglich sind, wird in dem Video besprochen. Sehen Sie Katharina Werwie im Interview mit mir:  "Erfolgreich verhandeln mit Spieltheorie"





mehr dazu im Mai Blog Post: 

 Tit-for-Tat- oder - erfolgreich verhandeln mit Spieltheorie


Appendix 1:

Tit for Tat Strategie:
 

Seien Sie in der Beziehung mit Ihrem Verhandlungspartner vorleistungsorientiert, offen, ehrlich und nicht nachtragend:

Seien Sie vorleistungsorientiert : Beginnen Sie die Verhandlung mit einer guten Tat. Gehe Sie in Ihrer ersten Handlung davon aus, dass das Gegenüber auf Kooperation und Ihr Bestes ausgerichtet handelt. Ein solches Verhalten, bringt das Gegenüber in positiven Zugzwang. Dies gilt umso mehr, wenn es überraschend ist: Z.B. indem man eine Schwäche des Gegners, von dem derjenige weiß, dass man sie bemerkt hat, nicht ausnutzt. Oder ihm dabei hilft einen Verhandlungsfehler wieder gerade zu rücken. Das hat mehr Bindungskraft und Verhandlungseffekt, als jede andere Verhandlungsstrategie. Es wirkt überraschend und ist ein überzeugender Ausdruck für Bindungswille und Kooperationsbereitschaft.

Seien Sie offen und ehrlich : Wenn das Gegenüber nicht auf Ihre Vorleistung reagiert oder zu Ihrem Schlechten handelt, zeigen Sie, dass Sie es gemerkt haben und reagiere Sie ebenfalls. Wichtig ist es hierbei, unter dem Eskalationsniveau des Gegenübers zu bleiben: "Eine Verschlechterung meiner Situation beantworte ich mit einem vergleichbar wirkenden Zug für den Gegenüber - der sich daraus für ihn ergebende Effekt ist allerdings kleiner (weniger negativ) als der Effekt für mich". Dieses begrenzt die Eskalation und zeigt auf der anderen Seite aber auch, dass man die Eskalation der anderen Seite wahrgenommen hat und die Fähigkeit besitzt, entsprechend zu reagieren. Dieses ist in Vertragsverhandlungen enorm wichtig, da nur dann ein Ergebnis auf gleicher Augenhöhe zu Stande kommt. Besitzt man nicht die Alternativen zu reagieren, ist man nicht mehr in einer Verhandlungs-, sondern in einer Zwangssituation. Wer keine Alternativen hat, kann nicht handeln (auch nicht verhandeln), sondern ist gezwungen.

Sei Sie nicht nachtragend : Verhandlungen haben ein Ziel, dass man gemeinsam erreichen will. Sonst ist es keine Verhandlung sondern ein Krieg. Man prüfe sich also vor einer Verhandlung, ob man tatsächlich in einer Verhandlungssituation oder aber in einer Kriegssituation sein will oder ist. Ergibt diese Prüfung das man verhandelt, zielt diese Verhandlung auf ein Ergebnis ab, das man nicht alleine erreichen kann. Man braucht das Gegenüber. Nachtragend zu agieren verhindert, dass man sich einigt. Es geht nicht darum nachzutragen, sondern darum, sich zu einigen. Nicht Recht haben, sondern Recht schaffen (Vertragsrecht) ist das Ziel. Wer nachträgt führt keine Verhandlung mehr, sondern einen Nachtrag. Das beste Signal hierfür ist es, nach einer Konfliktsituation wieder in Vorleistung zu gehen. Und zwar als erster. Immer vorausgesetzt, dass es tatsächlich um eine Verhandlung und nicht um das Führen eines Konfliktes geht 



Appendix 2:

Weitere, allerdings nicht so erfolgversprechende Verhandlungsstrategien  - zitiert nach Wikipedia, Artikel Gefangenendilemma Stand 31.5.2012:

  • "mistrust (Misstrauen): Verrät in der ersten Runde und kopiert in den nächsten Runden (wie tit-for-tat) den vorherigen Spielzug des Spielpartners. Ist nicht von sich aus kooperationswillig.
  • spite (Groll): Kooperiert solange, bis der Mitspieler zum ersten Mal verrät. Verrät danach immer. Kooperiert bis zum ersten Vertrauensmissbrauch. Sehr nachtragend.
  • punisher (Bestrafer): Kooperiert bis zur ersten Abweichung. Dann ist er so lange feindlich, bis der Gewinn des Mitspielers aus seinem Abweichen aufgebraucht wurde. Dann kooperiert er wieder bis zum nächsten Abweichen von der kooperativen Lösung. Diese Strategie ist optimal bei kooperationswilligen Spielern, die Fehler begehen, also irrtümlich einen konfrontativen Zug machen. Bei wenigen Wiederholungen oder zu großen Unterschieden in der Ergebnismatrix kann es jedoch vorkommen, dass ein Verlust durch einen Fehler des Gegners nicht mehr ausgeglichen werden kann. Diese Spiele heißen unheilbar.
  • pavlov: Kooperiert in der ersten Runde und verrät, falls der vorherige Zug des Mitspielers anders als der eigene war. Kooperiert, wenn in der Vorrunde beide Spieler kooperierten oder beide verrieten. Dies führt zu einem Wechsel des Verhaltens, wenn der Gewinn der Vorrunde klein war, aber zum Beibehalten des Verhaltens, wenn der Gewinn groß war.
  • gradual (allmählich): Kooperiert solange, bis der Mitspieler zum ersten Mal verrät. Verrät darauf einmal und kooperiert zweimal. Verrät der Mitspieler nach dieser Sequenz nochmals, verrät die graduale Strategie zweimal und kooperiert zweimal. Verrät der Mitspieler danach nochmals, verrät sie dreimal und kooperiert zweimal. Diese Strategie kooperiert grundsätzlich, bestraft aber jeden Ausbeutungsversuch zunehmend unversöhnlicher.
  • prober (Sondierer): spielt die ersten drei Züge kooperieren, verraten, verraten und verrät fortan, wenn der Gegner im zweiten und dritten Zug kooperiert hat, spielt sonst tit-for-tat. Testet, ob sich der Mitspieler ohne Vergeltung ausnehmen lässt. Nimmt nicht-vergeltende Mitspieler aus. Passt sich bei Vergeltung aber an.
  • always defect (verrate immer): Verrät immer, egal was der Spielpartner tut.
  • always cooperate (kooperiere immer): Kooperiert immer, egal was der Spielpartner tut
  • random (Zufall): Verrät oder kooperiert aufgrund eines 50:50-Zufallsentscheids.
  • per kind (periodisch und freundlich): Spielt periodisch die Folge kooperieren/kooperieren/verraten. Diese Strategie versucht, den Mitspieler durch zweimaliges Kooperieren in Sicherheit zu wiegen, um ihn dann einmal auszunehmen.
  • per nasty (periodisch und unfreundlich): Spielt periodisch die Folge verraten/verraten/kooperieren.
  • go by majority (Entscheide gemäß Mehrheit): Kooperiert in der ersten Runde und spielt dann den meistbenutzten Zug des Mitspielers. Bei Unentschieden wird kooperiert.
  • tit-for-two-tat (gutmütigeres tit-for-tat): Kooperiert in der ersten Runde. Hat der Mitspieler zuletzt kooperiert, wird auch kooperiert. Hat aber der Mitspieler zuletzt verraten, wird mit gleicher Wahrscheinlichkeit kooperiert oder verraten. Diese tit-for-tat-Variation kann sehr erfolgreich Kolonien bilden, auch wenn durch „Missverständnisse“ (Sabotage oder schlechte Kommunikation) die Geschäftsbeziehung hin und wieder gestört wird. Normale tit-for-tat-Agenten können durch eine Störung in einen Zyklus geraten, in dem immer abwechselnd einer kooperiert und der andere verrät. Dieser Zyklus wird nur durch eine weitere Störung durchbrochen."