Samstag, 31. März 2012

Die Teufelsformel - oder: Effizienz im Vertrieb

Ein großer Dienstleister steht vor einer geschäftlichen Herausforderung. Die Auftragseingänge sinken, die Vertriebskosten steigen. Die Wandlungsquote von gewonnenen Deals sinkt, der Auftragseingang ist starken Schwankungen von mehr als 40% unterworfen.

Der Vorstand beschließt Marktbearbeitung und Strukturen im Verkauf grundlegend zu hinterfragen und wenn nötig neu auszurichten.

Dazu wird ein kleines Team von Fachleuten aus der Linie gebildet, das durch Mitarbeiter aus dem Stab und einige ausgewählte Führungskräfte aus dem Vertrieb ergänzt wird.

Das Team führt eine Analyse durch:

o) Der Markt wird von den einzelnen Vertriebseinheiten und AD-Mitarbeitern sehr unterschiedlich bearbeitet. Während sich einige Einheiten darauf konzentrieren einige wenige große Deals durchzubekommen, arbeiten andere nach dem Prinzip „Masse machts“ und generieren mit hohen Kosten eine Vielzahl von Leads von denen aber nur ein Bruchteil realisiert wird.

o) Große Probleme bereitet die Prognose des Auftragseingangs. Aufträge fallen praktisch unangekündigt „vom Himmel „ oder realisieren sich - genauso überraschend - denn doch nicht. Daten über die Zahl der bearbeiteten Kundenkontakte, der hieraus entstehenden Opportunitäten für Angebote und der Durchlaufzeit von erstem Kundenkontakt bis zum Auftrag werden nicht erhoben und sind nicht Gegenstand der vertrieblichen Führungsarbeit

o) Der Außendienst wird ausschließlich nach der Höhe des Auftragseingangs  geführt - ein valides Nachverfolgen von Kundenkontakten, Leads und Angeboten findet nicht statt. Die Zahl der Kundenkontakte, der hierausgewonnen Leads, der Quote der aus der Leadbearbeitung entstandenen Angebote etc., sind nicht Gegenstand der Führungsarbeit.

o) Eine zentralisierte, leicht auswertbare Form der Speicherung von Kunden- und Vertriebsdaten findet nicht statt. Es existiert, über eine Adresskartei hinaus, kein zentrales CRM: Vertriebsrelevante Daten wie Zahl der Angebote je AD-Mitarbeiter, Wert der Angebote,  Wandlungsquote und Länges des Saleszyklus sind nicht auswertbar. Eine Auswertung der Vertriebseffizienz und Effektivität ist damit nicht möglich.

Nach der Präsentation dieser Situation durch die Projektgruppe beschließt der Vorstand den Vertrieb von Grund auf neu zu ordnen:

o) Die Führungsstruktur im Vertrieb wird gestrafft. Bisher getrennten Vertriebsbereiche werden zusammengelegt. Die hierdurch möglichen Einsparungen in der Organisation werden in die Entwicklung einer durchgehenden Vertriebsmethodik und in ein, diese Methodik abbildendes, Vertriebs- und Pipelinemanagementsystem investiert.
 
o) Die operative Arbeit im Vertrieb und die Führung wird einheitlich, nach einer durchgehenden Vertriebsmethodik ausgerichtet. Die Vertriebsleiter werden detailliert geschult die Zahl der Angebote, die Wandliungsquote, den Durchschnittswert pro Angebot und die Länge des Saleszyklus genau zu controllen und bei kleinsten Abweichungen vom Plan, konsequent Maßnahmen einzuleiten

o) Für jeden Vertriebler werden Durchschnittsauftragswert, Wandlungsquote und Zahl der zu erreichenden Aufträge pro Jahr geplant und in seine Zielvereinbarung aufgenommen

o) Aufgrund der zu erwartenden Widerstände erfolgt die gesamte Reorganisation auf einen Schlag, als Big Bang, zeitgleich und eng verbunden mit der Einführung des neuen Vertriebs- und Pipelinemanagementsystems.

Schon nach wenigen Monaten steigt der Auftragseingang, gleiches gilt für die Zufriedenheit innerhalb der Vertriebsmannschaft

Das ist in bester Ordnung, denn:


Der Vertriebserfolg hängt von vier Faktoren ab

  • Der Zahl der im Vertrieb bearbeiteten Angebote, je größer sie ist, desto höher ist der zu erwartende Auftragseingang,
  • Dem durchschnittlichen Wert eines Angebot
  • Der Wahrscheinlichkeit, dass ein Kunde kauft, sowie
  • Der Länge des Saleszyklus, gemessen an der Zeit, die vom ersten Kontakt mit dem Vertrieb des Unternehmens, bis zum Auftragsabschluss vergeht

Alle diese Faktoren sind multiplikativ miteinander verknüpft:



Dieses hat einen überraschenden, nicht auf den ersten Blick ersichtlichen Effekt: Steigen alle Faktoren um 10 %, d.h. der Wert der eingehenden Aufträge von 20 auf 22.000 €, die Zahl der pro Vertrieb bearbeiteten Angebote von 20 auf 22, die Wandlungsquote von 30 auf 33 Prozent, sinkt parallel dazu auch die Länge des Saleszyklus von zwölf Wochen auf zehn, steigt der Auftragseingang nicht etwa um 10 % sondern um 48 %, das hast heißt fast um die Hälfte!.

Detailarbeit über Systeme, Strukturen, Prozesse, lohnt also im Vertrieb in jedem Fall.

Dies gilt umso mehr, da dieser sich multiplizierende Effekt leider auch in die gegenteilige Richtung auftritt: Sinkt die Zahl der vom Vertrieb bearbeiteten Angebot um 10 %, fällt ihr Wert um 10 % und sinkt, durch ineffiziente Arbeit die Wandlungsquote ebenfalls 10 %, steigt die Länge des Saleszyklus durch ungenügende Koordination seinerseits weitere 10 %  - fällt der Auftragseingang eben nicht um zehn sondern um 48 %.

Die teuflische Eigenschaft dieser Formel: Eine kleine Veränderung der Faktoren, kann zu einer großen Schwankung des Auftragseingangs führen

Detailarbeit macht also sowohl zur Steigerung, wie auch zur Stabilisierung des Auftragseingangs Sinn.

Alle Chancen zur Beeinflussung der vier Faktoren durch systematisierte Arbeit und Koordination in Vertrieb, müssen genutzt werden, wenn man die Potenziale, aber auch die Risiken die in diesem Zusammenhang liegen nutzen, bzw. beachten will.

Die Arbeit an Prozessen zur Effizienzsteigerung, der Einsatz eines Systems, das Training und das konsequente Führen nach einer Salesmethode, sind ideale Mittel an den hier genannten vier Faktoren zu arbeiten und sie in die positive Richtung zu drehen.

Tipps für Ihre Anwendung:

1.)  Bestimmen sie den Ausgangspunkt der Faktoren der Teufelsformel:

Wie viele Leads werden in ihrer Vertriebsorganisation bearbeitet, wieviele der Leads werden zu Angeboten, wie hoch ist die Wandlungsquote. Über alles. Und in den einzelnen Vertriebseinheiten im Vergleich. Sie werden überrascht sein, wie unterschiedlich die Leistungen der einzelnen Vertriebler ist.

Bestimmen Sie aber auch den Durchschnittswert, und die Zahl der Angebote - auch hier garantieren ich eine Überraschung. Last, but not least, und vielleicht am schwierigsten zu ermitteln: Ermitteln Sie wie lange es dauert ein Angebot zum Abschluss zu bekommen.

2.) Bestimmen Sie die Führer für eine Veränderung. Jetzt schon!. Die im ersten Schritt erhobenen Koordinaten geben Ihnen Anhaltspunkte wer erfolgreich ist. Führen Sie Gespräche mit diesen. Schauen Sie aber jetzt nicht mehr so sehr auf den Erfolg, wie auf den Willen Verantwortung über den eigenen Bereich hinaus zu übernehmen, ins Unternehmen zu investieren und neue Wege zu denken. Nicht jeder Vertriebler will das. Gerade die Erfolgreichen wollen zum Teil einfach nur Geld verdienen, und ansonsten ihre Ruhe haben. Wählen Sie deshalb sorgfältig.

3.). Suchen Sie sich ein System, ein einfaches. Denn Detailarbeit auf dem oben genannten Niveau ist ohne System unmöglich. Es geht schließlich darum eine Vielzahl von Leads und Opportunitäten nachzuhalten und in ihrem Erfolg zu bewerten. Das geht nicht ohne System. Zentral. Für alle eingesetzt. Von allen bedient. Verpflichtend!.

4.)  Bestimmen Sie eine Sales - Methode. Vertrieb in der oben beschriebenen Form, muss vor allen Dingen führbar und messbar sein. Das ist er nur, wenn im Wesentlichen nach vergleichbaren Prozessen vorgegangen wird. Schauen Sie sich die unterschiedlichen Methodiken am Markt an. Suchen Sie nicht zu lange, im Prinzip sind alle Methoden mehr oder minder vergleichbar, es kommt hierbei nicht einmal so sehr auf die Methode an, sondern, dass sie von allen eingehalten wird. Suchen Sie sich die für Sie passendes daraus, und setzen Sie sie dann konsequent um.

5.) Führen Sie einem Piloten durch: Nichts überzeugt mehr als der Beweis. In Euro. Suchen Sie sich zwei oder drei Pilotenfelder, mit hoher Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg und arbeiten sie nach den neuen Prozessen, im neuen System, nach der neuen Methodik. Multiplizieren Sie dann den Erfolg. Kommunizieren Sie ihn! Berichten Sie davon, machen Sie andere neidisch, so dass die Vertriebler Ihnen die Türe einrennen, endlich auch nach dieser Methode, mit diesem System, mehr Geld verdienen zu dürfen!.

6.) Leiten Sie die notwendigen vertriebsübergreifenden Prozesse ab. System bedienen, Arbeiten, das hat immer etwas mit Organisation und Zusammenspiel zu tun. Mit dem Marketing, der Kundenbetreuung, der Reklamationsabteilung in der Produktion. Da muss schnell effizient und mit hoher Qualität zusammengearbeitet werden. Das bedeutet nichts anderes, als in guten Prozessen!. Sorgen Sie dafür.

Achten Sie aber von vornherein darauf, dass diese Prozesse auch veränderbar sind. Ein Geschäftsprozess ist nur so gut, wie das Geschäft, das er abbildet. Ändert sich das Geschäft, muss auch der Prozess sich ändern. Wenn Geschäfte sich zur Zeit in einem Rhythmus von sechs Monaten verändern, achten Sie darauf, dass der von Ihnen gewählte Prozess entsprechend leicht veränderbar ist. Nicht innerhalb von sechs Monaten, sondern innerhalb von sechs Tagen. Sonst wird er ineffizient!

7.) Implementieren Sie alles ins System. Sie werden sehen, dass ist einfacher als gedacht. Bringen Sie die Kundendaten hinein. Bilden sie die Prozesse ab. Und die Methode!. Dann starten Sie. Sie werden überrascht sein über den Erfolg.

Viel Spaß beim Geld verdienen.