Sonntag, 26. Februar 2012

Die optimale IT-Strategie

Ein großes Medienunternehmen. In einer Analyse werden die Geschäftsprozesse des Hauses erhoben und dann für jeden Hauptprozess, die in diesem Prozess eingesetzten Systeme ermittelt.

Die Analyse ergibt nicht weniger als 38 verwendete Systeme. Einzelne Geschäftsprozesse werden von mehr als 10 Systemen unterstützt. Kein Prozess ist vom Start bis zum Ende über ein einziges System abgebildet. 

Kaufmännische Daten werden über mehrere Systeme hinweg parallel geführt. Produktionsdaten werden zum Teil manuell weitergegeben. Contentdaten liegen in unterschiedlichen digitalen Formaten, in getrennten Systemen vor, um den unterschiedlichen Anforderungen an Print, TV, Web und mobiler Distribution gerecht zu werden.
Die eingesetzten Systeme basieren auf unterschiedlichen Technologien und unterschiedlichen Systemstrategien. Anwendern in einzelnen Prozesse müssen mit bis zu acht unterschiedlichen Systemen hantieren.  

Hohe Manuelle Aufwände sind die Folge. Viel Zeit muss in Kontrolle und Fehlerbeseitigung gesteckt werden. Die Wertschöpfung ist niedrig. 

Das Unternehmen beauftragt eine Arbeitsgruppe die Situation zu sichten und Vorschläge zu erarbeiten. Die Gruppe geht prozessbezogen vor, erfasst die Prozesse, bewertet Systeme, analysiert den Grad der Prozessunterstützung, die Wertschöpfung und den Aufwand.

Nach 8 Wochen legt sie Ihre Ergebnisse vor. Die Tischvorlage ist 7 Meter lang - der Gesamtprozess den ein Produkt von Einplanung der Produktion, bis zum Versand und Abrechnung von Gema und Autoren nimmt. 270 Schritte, durch 30 Abteilungen, mit 25 Systemen. Von diesen Schritten sind 70 systembedingt, in denen Daten von System A nach System B übertragen, kontrolliert und doppelt erfasst werden.  

25 % der Arbeit dient den Systemen statt den Produkten - ein unhaltbarer Zustand.

Das Unternehmen gibt den Auftrag für einen Neuentwurf. Die Zahl der systemdienenden Schritte soll radikal auf max. 5% reduziert werden. Gleichzeitig sollen alle Voraussetzungen für die digitale Verbreitung von Contents im Web, aber auch auf mobilen Endgeräten geschaffen werden.

Die Arbeitsgruppe ist sich schnell einig, dass die bestehende Systemarchitektur  grundlegend neu aus gerichtet werden muss. Die Anzahl der Systeme soll gesenkt, möglichst viele Schritte des Prozesses in einem System integriert werden. 

Die Gruppe sichtet den Markt. Es gibt eine Anzahl von integrierten Systemanbietern die den Gesamtprozess abbilden. Diese bedienen aber nur den klassischen Produktionskanal und nicht die Verbreitung im Web und auf Smartphones. Dieses ist nur über spezialisierte Systeme zu erreichen, die nicht integriert arbeiten. 

Die Gruppe entwirft deshalb einen Zwischen-Weg, in dem Sie neben einem zentralen System, in dem die Rückradprozesse des Senders abgebildet sind, spezialisierte Systeme einsetzt. Die Integration der Systeme wird über eine Integrationsplattform realisiert. Deren Aufgabe ist es, die Systeme bedarfsgerecht, flexibel, hoch automatisiert mit Daten zu versorgen und zu vernetzen.

Die neue Tischvorlage,  die die Gruppe zur Entscheidung vorlegt, ist von 7 Metern auf 3 geschrumpft, nur noch 170 Schritte sind nötig, davon 4% systemgebunden.

Das ist in bester Ordnung, denn:

Ohne IT ist heutzutage kein Unternehmen denkbar. Die Systemunterstützung der Prozesse ist zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor geworden. Aber auch die Unternehmensstrukturen hängen immer mehr davon ab, wie leistungsfähig die eigenen IT Systeme des Unternehmens sind. 

Keine Führungskraft kann heutzutage das Unternehmen oder seinen Verantwortungsbereich per „draufschauen „führen. Notwendig sind vielmehr detaillierte Informationen zur Performance von Prozessen und Mitarbeitern, zur Qualität von Produkten, zu Umsatz, Kosten, Deckungsbeitrag und Erlösen.

Gefragtes ist die Gesamtschau. Über alle Prozesse hinweg. Über alle Abteilungen und Verantwortungsbereiche. Beliebig und flexibel kombinierbar. Schnell, sicher, mit wenig Aufwand an Veränderungen des Geschäfts anzupassen.

Eine schöne Utopie. Leider nur schwer umsetzbar. Warum? 

Weil viele Organisationsbereich eines Unternehmens über spezialisierte, exakt auf die Anforderungen des jeweiligen Bereichs ausgerichtete Systeme unterstützt werden. So gut diese Systeme auch für die jeweilige Anwendung passen, so schwierig ist es, die Systeme untereinander in Kommunikation zu bringen. 

Aber genau diese Integration ist nötig, wenn man die Gesamtschau der Dinge haben will, wie sie oben beschrieben ist.

Das ist jetzt natürlich keine neue Nachricht. Genau deshalb gibt es ja integrierte Systeme der großen ERP Anbieter. Doch die können nicht alles. Und werden es wahrscheinlich auch nie können. Es wird immer spezialisierte Systeme geben, die besser auf bestimmte Anwendungen passen, als der größte gemeinsame Nenner der großen drei Anbieter.

Die Aufgabe des Vernetzens von Systemen und Prozessen bleibt damit auch in Zukunft.

Integration aber kostet Zeit, Aufwand und ist riskant. Die Frage ist wann und wo sie sich lohnt.

Die Antwort hierauf ist keine einfache:

Jeder Geschäftsprozess umfasst drei Hauptfunktionsbereiche die sich nur schwer über eine einheitliche Systemplattform abbilden lassen:

o) Die kaufmännische Bearbeitung der im Geschäftsprozess entstehenden Daten und Produkte,

o) die eigentliche Produktion des im Prozess erstellten Gutes /Leistung

o) die Planung und Disposition, sowohl der kaufmännischen Bearbeitung, wie auch der Produktion selbst.

Nur in den seltensten Fällen gibt es Systeme, die tatsächlich alle diese drei Hauptfunktionen durchgängig abdecken. Meistens kommen für alle drei Hauptfunktionen spezialisierte Systeme zum Einsatz (für die kaufmännischen Funktionen zum Beispiel ein ERP System, für die Produktion Produktionssysteme, für die Disposition spezialisierte Produktionsplanung und Steuerungssysteme).

Man ist also gezwungen Prozesse über mehrere Systeme abzubilden. Die Frage stellt sich über wie viele und an welchen Stellen.

Grundsätzlich gelten hier zwei gegenläufige Gestaltungsregeln:


o) Zum einen die Regel der Generalisierung: Je weniger Systeme zum Einsatz kommen, desto weniger Schnittstellen, desto weniger Weitergabe zwischen Systemen, desto weniger Komplexität, desto höhere Transparenz in den Daten, desto höhere Validität von Ergebnissen.

Desto höher aber auch die Standardisierung und desto geringer die Anpassung an die spezifischen Anforderungen einzelner, spezialisierter Prozesse.

o) Zum anderen die Regel der Spezialisierung: Je optimaler ein System an die Prozesse angepasst ist, desto höher die Nutzerakzeptanz, desto höher die Produktivität, desto höher die Wirtschaftlichkeit, desto höher die Effizienz des Systemeinsatzes. Desto höher aber auch die Zahl der Systeme, desto höher die Komplexität der gesamten Systempalette zur Abbildung eines Prozesses, desto höher der Aufwand für eine Integration.

Ein Optimum für eine Systemlandschaft wird nie auf eine Gestaltungsrichtung alleine ausgerichtet sein. Ziel ist vielmehr die beiden gegenläufige Effekte einem möglichst ausgeglichenen Zustand zuführen.

Grundsätzlich gelten hierbei drei Gestaltungsprinzipen :


o) Die Prozessreinheit: Ein Geschäftsprozess sollte möglichst umfassend über ein System, beziehungsweise eine Systemplattform abgebildet werden.


o) Die Datenreinheit: Eine bestimmte Gruppe an Daten sollte möglichst umfassend in einem System vorgehalten werden, wenn Veränderungen von anderen Systemen vorgenommen werden, sollte klar sein, wer das führende und datenhaltende System ist.

o) Die Technologiereinheit: Die bereitgestellten Systeme sollten auf möglichst wenige, durchgängige Technologien aufbauen um den Qualifizierungs-und Wartungsaufwand so gering wie möglich zu halten und eine möglichst große Transparenz über technologische Fragestellungen sicherzustellen. Gleichzeitig hilft diese Regel sich auf wenige Anbieter zu konzentrieren und hier durch Konzentration Vorteile in Bezug auf Einkaufsvolumen und Konditionen zu erreichen.

Eine solche Architektur ist in der heutigen Zeit aber nicht in Stein gemeißelt. Ganz im Gegenteil. Da sich die Geschäfte immer schneller verändern, müssen sich auch die Geschäftsprozesse und die sie tragenden Systeme ebenso schnell, sicher und wirtschaftlich verändern. 


Die Fähigkeit Prozesse und Systemarchitektur in diesem Sinne veränderbar und flexibel zu machen, ist in Web getragenen Geschäftsfeldern fast wichtiger, als die eigentliche Effizienz der Prozesse. 

Wer sich nicht schnell und sicher verändern kann - und das ohne viel Aufwand  - stirbt. 

Das macht Integrationsplattformen und ein effizientes Geschäftsprozess-Management zum unverzichtbaren Bestandteil jeder Systemarchitektur.

Tipps für Ihre Anwendung:

1.)  Erheben Sie die wesentlichen Geschäftsprozesse Ihres Unternehmens. Beginnen Sie beim Lieferanten und enden Sie beim Kunden. Stellen Sie die einzelnen Wertschöpfungsketten dar. Beginnend beim Einkauf, über die Produktion, bis hin zu Auslieferung und Versand (physische Wertschöpfung). Führen Sie parallel dazu die kaufmännischen Begleitprozesse auf, das heißt die debitorische und kreditorische Abwicklung, die Planung und Konsolidierung.


2.) Erheben Sie die Systeme im Rahmen dieser Prozesse. Das heißt: Ermitteln Sie welche Systeme überhaupt bei Ihnen  im Einsatz sind. Lokalisieren Sie in welchen Prozessabschnitten diese Systeme eingesetzt werden. Erheben Sie dann wie die Systeme miteinander vernetzt sind (manuell, per Batch, vollautomatisch bidirektional etc.). Ordnen Sie die Systeme grafisch auf Ihre Prozesslandkarte in den jeweilig passenden Wertschöpfungskettenabschnitt ein.

3.) Machen Sie sich ein Bild: Beginnen Sie mit dem Zählen. Wie viele Systeme insgesamt sind im Einsatz. Wie viele davon wie verbunden. Wie viele Systeme in welchem Prozess. Wie viele in welcher Abteilung. Wie viele mit welcher Technologie.

4.) Bewerten Sie: Wie viele Systeme setzen Sie insgesamt ein. Drei werden es mindestens sein, sind es mehr als 10 haben Sie Probleme, die nicht sein müssen. Gleiches gilt für die Sicht auf den Prozess. Und für die Sicht auf die Abteilung. Wer mit mehr als drei Systemen jongliert, muss ein Akrobat sein und diese sind bekanntlich dünn gesät. Das gleiche gilt für die Sicht auf die Daten und auf die Technologien.

5.) Betrachten Sie auch die Schnittstellen zwischen den Systemen. Wie viele Systeme sind automatisiert miteinander verbunden, wie viele nur über manuelle Schnittstellen. Jede manuelle Schnittstelle erzeugt Aufwand, jede Batchschnittstelle verzögert den Prozessdurchlauf. 

6.) Ermitteln Sie wie oft Sie in Zukunft Prozesse verändern müssen. Jede Prozessveränderung bedeutet fast Immer eine Schnittstellenänderung. Das ist bei Systemen, die über klassische Technologien vernetzt werden, fehlerbehaftet, langsam und immer aufwendig. Haben Sie mehr als 1 Änderung pro Jahr, denken Sie über eine Integrationsplattform nach, haben Sie mehr als 3 bauen Sie sie ein - es lohnt sich.

7.) Ziehen Sie die Konsequenzen und machen Sie ein Sollbild. Ein Zielfoto des Zustands den Sie in drei Jahren erreichen möchten. Drei Systeme sind genug. Vier vertretbar. Bei fünf sollten Sie ein Fragezeichen setzen. Alles darüber hinaus ist keine Zielsetzung, sondern ein Fortschreiben eines schlechten Status Quo. Gleiches gilt für die Sicht auf die Technologie, gleiches gilt für die Sicht auf die Daten.

8.) Präsentieren Sie Ihre Analyse der Geschäftsführung. Im zwei Charts: Die Landkarte von heute und das Zielfoto - das reicht. Die Bilder sprechen für sich selbst. Zusatzinformationen über Kosten des heutigen Zustands, Risiko, manuelle Aufwände, verlängerte Durchlaufzeiten und so weiter reichern dieses Bild an.