Ein Möbelproduzent.
Umsatz und Ergebnis sinken seit Jahren.
Parallel steigt die Vielfalt in der Produktpalette. Immer neue Linien werden aufgelegt, erreichen
aber nur kleine Umsätze und geringe Deckungsbeiträge.
Der Produktionsleiter ist frustriert. Durch die große Zahl an
Teilen und Komponenten wachsen die Lagerbestände. Der Platz in der Produktion
schwindet. Die Such- und Rüstzeiten
steigen. Gerade bei den Mitarbeitern der
Produktion nimmt die Unzufriedenheit zu.
Sie erreichen ihre Akkord-Stückzahlen nicht. Gleichzeitig sehen Sie, dass
der Produktionsfluss nicht sauber ist und immer wieder abreist. Das Unternehmen ist augenscheinlich auf
falschem Kurs.
Ganz anders sieht dies der Geschäftsführer. Er freut sich an den neuen Produkten und dem
immer dicker werdenden Katalog. Auch der
Vertriebsleiter meint, "jetzt habe das Produktionsprogramm
Gewicht". Auch die Kunden und die
treuen Händler des Unternehmens sind begeistert. Soviel Auswahlmöglichkeit und Flexibilität - das
macht das Verkaufen leichter.
Die Konflikte zwischen Produktionsleitung sowie Geschäftsführung,
Vertriebs- und Marketingleitung eskalieren. Schließlich verlässt der
Produktionsleiter entnervt das Unternehmen.
Die Geschäftsführung bestimmt einen "unproblematischen"
Gruppenleiter aus der Arbeitsvorbereitung zum neuen Chef in der Produktion.
Kurz danach erreicht das Unternehmen die Verlustgrenze. Der
Hauptgesellschafter zieht endgültig die Reißleine und beauftragte eine Beratung
mit der Analyse und Erstellung eines Rettungskonzepts.
Nach drei Monaten ist der Wurf gelungen: Das Konzept sieht
straffe Einschnitte in das Produktionsprogramm vor, verbunden mit einer
Intensivierung der Vertriebsarbeit durch Direktmarketing und Telefonverkauf.
Das Konzept wird vorgestellt, von den Mitarbeitern der
Produktion begeistert aufgenommen, von den Führungskräften, insbesondere der
Geschäftsführung der Vertriebsleiter, kritisch diskutiert, aber dann nach zähem Ringen offiziell akzeptiert. Die Berater
verlassen das Haus, die Geschäftsführung hat die Umsetzung des Konzepts
übernommen.
Nach sechs Monaten führt ein Zufall den ehemaligen Projektleiter
der Beratung wieder beim Unternehmen vorbei. Bei der Stippvisite „auf einem Kaffee" spricht er mit
Verantwortlichen in der Produktion und den Mitarbeitern, die ihn bei seinem
Konzept unterstützt haben.
Nichts, aber auch gar nichts von dem Konzept ist umgesetzt
worden. "Gelesen, gelacht, gelocht
und abgelegt" - habe der Geschäftsführer auf Nachfragen zur Umsetzung des
Konzepts geantwortet.
Auch der Vertriebsleiter sei froh, dass dieser
"Wahnsinn nicht komme". Man bereite gerade die neue Produktlinie vor und dürfe hierbei
nicht gestört werden.
Ein Rückruf bei den Gesellschaftern löst den Alarm aus. Hier war man sich der Situation nicht bewusst
und ging davon aus, dass das Konzept konsequent umgesetzt wird. Die mittlerweile aufgetretenen ersten
Verluste werden der Reorganisation und Umstrukturierung zugerechnet - nie
hätte man gedacht, dass der beauftragte Geschäftsführer die Umsetzung dieses
Konzepts verhindern würde.
Man beschließt schnell zu handeln. Der Geschäftsführer soll ausgewechselt
werden, jetzt, sofort. Der
Hauptgesellschafter wird selber die Kontrolle übernehmen und
Interimsgeschäftsführer des Unternehmens werden. Gleichzeitig wird er die Rolle des
Vertriebsleiters übernehmen, der ebenfalls das Unternehmen verlassen muss.
Die übrigen Führungspositionen bleiben bestehen. Die neuen Produktionsleiter will man noch
einmal eine Chance geben. Schnell ist ein neues Organigramm gezeichnet. Das
Konzept wird noch einmal diskutiert, aber immer noch als sachlich richtig und
zielführend befunden. Man bereitet deshalb Umsetzungspakete vor, die den
Mitarbeitern und den Mitgliedern der neuen GL zugeordnet werden.
All dieses geschieht fernab vom Unternehmen am grünen
Tisch. Man bestimmt einen Termin in der
nächsten Woche. An dem benannten Tage treffen Hauptgesellschafter und Berater
zeitgleich am Morgen im Unternehmen ein.
Vertriebsleiter und Geschäftsführung werden direkt gekündigt und haben
20 Minuten Zeit das Unternehmen zu verlassen.
30 Minuten später beginnt die Sitzung der neuen
Geschäftsleitung. Die Situation wird geschildert, Aufgabenpakete beschriebenen,
Erwartungshaltungen der Gesellschafter klargemacht. Man vertagt sich auf den nächsten Morgen.
Die Geschäftsleitungsmitglieder haben 12 Stunden Zeit über die
Sache zu schlafen und ihre Mitwirkung zu erklären. Am nächsten Morgen sind alle, bis auf den
Produktionsleiter, mit dabei und verpflichten sich zur Umsetzung des
Sanierungskonzepts.
Das ist in bester
Ordnung, denn:
Wann herrscht eigentlich Ordnung?:
Die Frage impliziert schon einen wesentlichen Teil der
Antwort: Ordnung herrscht dann, wenn die Menschen es zulassen.
Ordnung hat also immer etwas damit zu tun, dass Menschen sie
einhalten, sie akzeptieren, sie stützen und letztendlich auch gegen Veränderungen
oder äußerer Einflüsse verteidigen.
Ordnung ist damit immer Folge eines Kontrakts, d.h. eines
sozialen Vertrages zwischen Menschen. Wo das nicht gegeben ist, herrscht keine
Ordnung sondern Chaos. Ordnung muss also
kontrahiert sein, um wirksam zu werden.
Das gilt gerade auch für Ordnung im Unternehmen: Die Blaupause eines Organigramms alleine genügt nicht. Ein Organisationshandbuch bleibt im Schrank
stehen und ist tote Materie, wenn es nicht gelebt wird. Gleiches gilt für
Beratungskonzepte.
Nur, was gelebt wird, vor allem von der Spitze des
Unternehmens, kann (in) Ordnung sein.
Nun ist aber nicht alles, was gelebt wird, auch tatsächlich
in Ordnung. Ordnung bezeichnet eben auch
einen Zustand, der Normen zu erfüllen hat und eine sinnvolle, dem Geschäft
hilfreiche Form besitzt. Das Beratungskonzept muss Erlöse steigern, das neue Organigramm Kosten senken um (in) Ordnung zu sein.
Nur dadurch, dass er akzeptiert wird, ist ein Zustand noch
lange nicht (in) Ordnung. Ordnung ist etwas,
das einen Zweck erfüllt. Ordnung ist
Instrument, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen.
Ordnung hat damit immer zwei Bedingungen zu erfüllen: Sie
muss kontrahiert sein und geschäftlich sinnvoll ausgestaltet.
Je nachdem wie sie diese beiden Bedingungen erfüllt lassen
sich unterschiedliche Fälle unterscheiden:
Erstens: Die Ordnung ist kontrahiert aber nicht sinnvoll für
das Geschäft ausgeprägt. Oder in Deutsch formuliert: Alle finden es gut, aber
es erfüllt seinen Zweck nicht. Die Stimmung
ist gut, aber das Schiff auf falschem Kurs. Beschreibungen aus ehemaligen
Staatskonzernen und Unternehmen mit Bundesbeteiligung lassen vermuten, dass die Situation durchaus
häufig vorkommt.
Zweitens: Die Ordnung ist fachlich fundiert, geschäftlich
sinnvoll, aber nicht kontrahiert. Hier stimmt zumindest die Richtung.
Nichtsdestoweniger ist aber auch hier viel zu tun: Auch wenn der Bug zum Hafen zeigt, reicht es
nicht aus, wenn nur einer von 100 rudert.
Drittens: die Ordnung ist weder kontrahiert noch geschäftlich
sinnvoll. Das Boot treibt ohne Ruder im
Kreis. Vollständiger Stillstand. Klingt unwahrscheinlich, ist es aber nicht:
In viele Unternehmen, die in Schieflage geraten und deren Existenz bedroht ist,
haben die Führungskräfte und oder Mitarbeiter längst erkannt, dass das Haus auf
dem falschen Weg ist. Die interne
Kündigung ist durchgängig. Der Kontakt
zum Unternehmensführer und Eigentümer gebrochen. Man ist nur noch mit nicht einmal mehr einem
halben Herzen dabei. Oder kündigt
gleich.
Viertens: die Ordnung ist kontrahiert und geschäftlich sinnvoll:
der Idealzustand. Das Ziel. Hier passt alles zusammen. Der Bug zeigt in Richtung Hafen und es geht
volle Kraft voran.
Tips für Ihre
Anwendung:
1.) Legen sie ihr Ziel fest.
Nur dann wissen Sie wo das hingeht und wie die Normen aussehen.
2.) Leiten sie die Anforderungen ab, die ihre Organisation
erfüllen muss. Machen Sie sie
quantifizierbar, kommunizierbar und messbar.
3.) Prüfen Sie, ob ihre Organisation die geschäftlichen
Anforderungen erfüllt. Wenn nein, wie
groß und wo ist das Delta, wo muss in welche Richtung verändert werden?
4.) Zeigt sich ein großes Delta, das mit der bestehenden Organisation
nicht zu überbrücken ist, fangen sie sofort an, eine neue Organisation zu
entwerfen. Fragen Sie gar nicht erst
nach den Kontrakt. Er ist
unwichtig. Auch wenn alle volle Kraft
rudern - wenn der Bug in die falsche Richtung zeigt, kommen Sie nie zum Hafen
5.) Jetzt und wirklich erst jetzt fragen sie nach den
Kontrakt. In Interviews. Durch Externe. Durch anonyme Befragungen. Durch 360° Methoden. Bewerten Sie die
Ergebnisse. Wo haben Sie einen Kontrakt
und wo nicht? In welchem Punkt wird
abgewichen und wie groß ist das Delta?
6.) Jetzt wird es wirklich ernst. Sie haben keinen Kontrakt? Ihre Organisation zeigt insgesamt in die richtige
Richtung und ist von der Sache her gut aufgestellt. Wieso gibt es dann keinen Kontrakt? Wird bei Ihnen falsch kommuniziert? Haben Sie die falschen Leute - vor allem bei
den Führungskräften? Haben Sie zu wenig
in den Werten gearbeitet, Sinn und Zweck der Organisation nicht
ausreichend vermittelt,...? Nehmen Sie das ernst. Ihre Organisation zeigt in die richtige
Richtung, aber es wird nicht genug
gerudert. Daran ist nie der Markt
schuld. Oder die Konkurrenz. Oder die
Welt an sich. Hier gibt es nur einen
Schuldigen: Sie selbst. Denn es ist ihre
Aufgabe nicht nur die Richtung vorzugeben, sondern auch die Trommel zu schlagen
und dafür zu sorgen, das alle Mann am Riemen ziehen. Fangen Sie deshalb in der
Analyse und bei der Problembeseitigung da an, wo der Fisch am ehesten her
stinkt: vom Kopf.