Sonntag, 12. Dezember 2010

Vergessen Sie Ihre Prozesse - Kümmern Sie sich um Ihre Geschäftsprozesse

Ein Zeitungsverlag ist unzufrieden mit seiner Anzeigenabwicklung. Kunden klagen über zu lange Durchlaufzeiten. Die Vertreter bemängeln, dass sie zu spät über Kundenreklamationen informiert werden. Auf der anderen Seite zeigt das Controlling der Personalkennzahlen, dass der Verlag im Vergleich zu anderen Unternehmen zu viel Personal in der Abwicklung einsetzt.

Es wird ein bereichsübergreifendes Team aus Führungskräften gebildet. Ziel dieses Teams ist es, Vorschläge für eine grundlegende Neuausrichtung der Anzeigenbearbeitung zu entwickeln. Dem Team werden hierzu drei Ziele gesetzt: 1.)  Anzeigen die bis 17:00 Uhr am Verlag eintreffen haben in der Ausgabe des folgenden Tages zu erscheinen.2.) eingehende Kundenanrufe sind nach dem dritten Klingeln anzunehmen. 3.) Reklamationen haben innerhalb von zwei Stunden beim zuständigen Vertreter, entweder per E-Mail oder aber SMS, aufzuschlagen.

In einem ersten Schritt analysiert das Team die Auswirkungen dieser Ziele. Schnell wird klar, dass bei den bestehenden Abläufen, das Ziel, den Anzeigenschluss auf 17:00 Uhr zu verlängern, nicht erreicht werden kann. Die Durchlaufzeiten betragen zurzeit acht bis neun Stunden. Will man um 17:00 Uhr noch Anzeigen in die nächste Ausgabe bringen, muss dieser Zeitraum halbiert werden. Das Team beschließt deshalb, die bestehenden Abläufe und Prozesse über alle Abteilungen hinweg zu analysieren und alle nicht wertschöpfende Schritte, wenn irgend möglich und in Bezug auf die Kosten vertretbar, zu eliminieren. Gleiches gilt für die Information der Vertreter. Auch hier ist bei bestehenden Prozessen ein Ablauf von mindestens acht Stunden vorgegeben. Dieses bedeutet das eine Mittags eintreffende Reklamationen erst beim Folgetag beim zuständigen Vertreter aufschlägt. Auch hier ist eine Verbesserung nur möglich, wenn der gesamte Prozess komplett reorganisiert wird.

In Bezug auf die Antwortzeit auf eingehende Telefonate wählt das Team einen anderen Weg. Die Fähigkeit eingehende Telefonate innerhalb des vierten Klingelns zu beantworten hängt entscheidend von der dafür zur Verfügung stehenden Kapazität ab. Eine Aufschreibung aller eingehenden Anrufe ergibt, dass insbesondere am frühen Morgen und am späteren Nachmittag eine Vielzahl von Anrufen stattfinden. Mit den bestehenden Kapazitäten der Anzeigenabwicklung ist in diesen Zeiträumen keine qualifizierte Bearbeitung möglich. Das Team analysiert deshalb, wie die Anrufkapazität für diesen kurzen Zeitraum erweitert werden kann. Es beschließt für die Spitzenzeiten alle Sekretariate des Unternehmens, auch in den Vertriebsabteilungen und der Redaktion, zur Bearbeitung entsprechender Anfragen und Reklamationen einzusetzen. Die Mitarbeiter werden entsprechend geschult und auf ihre Aufgabe vorbereitet. So ist es möglich ohne zusätzliches Personal die vorgegebene Antwortzeit zu erreichen. Zusätzliche Kosten entstehen hierbei nicht, da die bestehenden Kapazitäten ja bereits im Unternehmen vorhanden sind.

So gewinnen beide Seiten, der Kunde hat einen schnelleren Anzeigenschluss und andere bessere Reaktion des Verlagshauses, der Verlag selbst kann durch die optimierten Prozesse weiter Personalkapazität und Mitarbeiter einsparen, beziehungsweise für andere Aufgaben einsetzen.

Das ist in bester Ordnung, denn:

Vielfach werden die Prozessoptimierung und Geschäftsoptimierung synonym gebraucht unzutreffender weise,  denn der Unterschied könnte grundsätzlicher gar nicht sein:

Ein Prozess kennzeichnet sich durch einen Start- und einen Endpunkt.  Zwischen diesen beiden Start- und Endpunkten liegt eine Kette an Funktionen, die in einem Prozess durchlaufen wird.  Sie sind in ihrer zeitlichen und logischen Abfolge genau beschrieben.  Ein Prozess ist damit nichts weiter, als die Kette von Aufgaben und Funktionen, mit der aufgrund eines Startsignals, ein bestimmtes Endergebnis/Produkt erzeugt werden soll.

Im Rahmen einer Prozessoptimierung ist diese Kette an Aufgaben und Funktionen in Bezug auf Durchlaufzeit, Wirtschaftlichkeit, Produktivität, gebundene Kapazität und Ähnliches zu verbessern. Die klassische Prozessoptimierung richtet sich dabei ausschließlich an diesen internen Kriterien aus, die Auswirkungen aufs Geschäft spielen bestenfalls mittelbar eine Rolle.

Geschäftsprozessoptimierung bedeutet im Gegensatz dazu einen Prozess so zu optimieren, dass er aus Sicht des Geschäfts, dass heißt der Kundenanforderungen und der Unternehmensinteressen gleichzeitig optimal gestaltet ist.  Der Kunde muss gewinnen und das Unternehmen, dann ist es ein Geschäft für beide, eben ein Geschäftsprozess.

Hierbei kann es durchaus dazukommen, dass ein optimaler Geschäftsprozess weder aus Funktionssicht, noch aus Sicht der klassischen Prozessoptimierung 100% optimal ist:

Dieses wird deutlich, wenn man das Thema der Auslastung analysiert:  Eine optimale Auslastung des Innendienstes bedeutet noch lange nicht, dass der dahinter liegende Prozess wirklich optimal oder der Kunde zufrieden ist.  So kann es zum Beispiel, aus der engen Funktionssicht des Innendienstes, für die Auslastung günstig sein, Geschäftsvorfälle nicht sofort zu erledigen, sondern zu warten und einen Puffer zu schaffen, der in auftragsarmen Zeiten für die durchgehende Auslastung der Sachbearbeiter sorgt.

Durch diese verzögerte Bearbeitung dauert der Prozess innerhalb des Unternehmens länger.  Er stößt vielleicht in anderen Abteilungen ebenfalls auf Bereiche, die ihre Auslastung dadurch optimieren, dass nicht alle Geschäftsvorfälle sofort bearbeitet werden, sondern ein Puffer zur Auslastung geschaffen wird.

Man stelle sich dieses Vorgehen über 4 bis 5 Schritte vor. Jede Stelle optimiert ihre Auslastung durch einen Zwischenpuffer. Ergebnis sind zwar optimal ausgelastet Abteilungen, aber durch lange Prozessdurchlaufzeiten auch horrende Wartezeiten für den Kunden, die aus Sicht des Geschäfts nicht tragbar sind.

Kundenbezogene Prozessoptimierung würde in diesem Zusammenhang bedeuten, dass die einzelnen Vorfälle sofort an der ersten, den Vorfall entgegennehmenden Stelle, komplett bearbeitet werden. Das reduziert die Wartezeiten für den Kunden auf Null und führt zu einem aus Sicht von Durchlaufzeiten und Wertschöpfung optimalen Prozess.

Für das Unternehmen führt eine solche Organisation aber bei Anrufspitzen zu Überlastung, bei auftragsarmen Zeiten zu Unterauslastung.  Und damit zu Mehrkosten, die aus Sicht des Geschäfts nicht tragbar sind.

Weder Funktionsoptimierung noch Prozessoptimierung führen damit zu einem optimalen Ergebnis für das Geschäft,

Die Geschäftsprozessoptimierung verfolgt in ihrem Ansatz einen Ausgleich dieser beiden, grundlegenden Interessen.  Das Unternehmen muss profitieren, aber natürlich auch der Kunde und umgekehrt.

Wichtig bei der Geschäftsprozessoptimierung ist es deshalb, aus Sicht des Kunden und des Unternehmens zu analysieren. 

Tipp´s für Ihre Anwendung:

1.) Legen sie als erstes ihre Ziele fest. Bilden Sie hierzu einem bereichsübergreifenden Arbeitskreis. Ziele müssen bereichsübergreifend entwickelt und festgelegt werden, wenn Ziele, die auf eine Geschäftsprozessoptimierung abzielen, nicht schon von vornherein, durch die Besetzung der Teilnehmer einer Gruppe, ausgeschlossen werden sollen.

2.) Brechen sie die Ziele in handhabbare Dimensionen herunter. Bitte vergessen Sie nicht: Ein Ziel ist die Ausprägung einer Messgröße zu einem bestimmten Zeitpunkt. Ziele sind immer quantifiziert zu messen. Sind Sie nicht in der Lage ihre Ziele in Zahlen umzusetzen haben Sie Ihre Analyse noch nicht zu Ende gemacht. Besonders wichtig ist es hierbei, Messgrößen zu finden, die ihnen mit überschaubarem Aufwand, ohne größere Störung des Tagesgeschäfts, eine Messung sowohl des Ist-Zustand, wie auch des zukünftigen Ziels erlauben.

3.) Bedenken Sie bitte auch, dass diese Zielgrößen auf Dauer aufrecht zu erhalten sind. Es macht keinen Sinn, Ziele zu definieren, die nur ein Jahr Bestand haben. Genauso wenig ist es sinnvoll, Ziele in Zielgrößen und Maßstäben festzulegen, die von Jahr zu Jahr wechseln und damit einen Vergleich über die Jahre unmöglich machen.

4.) Erheben sie alle Unternehmensfunktionen  die auf das Ziel  einwirken. Lassen Sie sich dabei nicht begrenzen. Gegen sie radikal vor (bis an die Wurzel). Hier kann es keine Abteilungsgrenzen geben, keine Hierarchiestufen und Verantwortungen. Alles was die Zielgröße beeinflusst, jede Unternehmensfunktion die auf das Ziel einwirkt, ist in ihrem jetzigen Zustand zu erheben und in Bezug auf die Wirkung auf das Ziel zu bewerten.

5.) Priorisieren Sie: Ermitteln Sie, welche der Funktionen den stärksten Einfluss auf Ihre Zeile haben. Und auf diese konzentrieren Sie sich in der Optimierung. Beachten Sie dabei immer die Vernetzung: Eine Funktion für sich, um 100% zu optimieren, kann heißen andere Funktionen zu verschlechtern. Auf die Kette kommt es an - manchmal ist 80 % Optimierung besser als 100 %.

6. Wägen Sie ab: Ein optimaler Prozess kann ein schlechtes Geschäft sein, im wahrsten Sinnes des Wortes. Und nicht jedes Geschäft ist für Sie und Ihre Mittel abwickelbar. Es geht darum eine intelligente Brücke zu bauen zwischen prozessualen und geschäftlichen Anforderungen. Möglichst so einmalig, dass Sie einen echten Wettbewerbsvorteil haben.





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