Sonntag, 19. Dezember 2010

Sie wollen Tempo? - organisieren Sie ganzheitlich! - aber richtig!

Filme müssen vor ihrer Ausstrahlung geschnitten werden. Das gilt auch für Nachrichtenbeiträge.

Die Beiträge werden meist von einem vier bis fünf Mann Team aufgenommen, in dem ein Kameramann für die Bilder, ein Beleuchter für das Licht, ein Tontechniker für den Ton, ein Redakteur für die Auswahl der Szene und die Gesamtkoordination und ein Reporter für das live Interview zuständig sind.

Im Prinzip werden also fünf unterschiedliche Aufgaben von fünf  Spezialisten durchgeführt, um einen Nachrichtenbeitrag für eine Sendung zu produzieren.

Die Frage ist, ob diese hohe Form von Spezialisierung, gerade im Nachrichtenbereich, bei dem die Aktualität zum Teil höher zu bewerten ist, als der letzte Feinschliff in der Beleuchtung, wirklich notwendig ist.

Eine ganz andere Organisation hat deshalb ein New Yorker Fernsehsender gewählt, der sich auf lokalen Nachrichten in Manhattan spezialisiert hat.

Er hat seine gesamte Crew an Mitarbeitern mit Fernsehkameras ausgerüstet, die mit einem Mikrophon und einer Videoeuchte versehen sind, so dass die Mitarbeiter in der Lage sind, ohne weitere Mitarbeiter einen einzelnen Beitrag zu filmen.

Aus seinen, ehemals 60 Mitarbeitern und drei Reporterteams, hat er in dieser Organisation 15 Filmreporter gemacht, die kontinuierlich, im Schichtdienst in Manhattan patrouillieren und auf der Suche nach Neuigkeiten, bei jedem Verkehrsunfall und jedem Unglück präsent sind. Der Beitrag wird direkt vor Ort, von den Mitarbeitern am Laptopoder wenn es sehr schnell gehen soll, an der Kamera selbst geschnitten und kommentiert, im Regelfall aber sogar live, direkt ohne weitere Nachbereitung in die Nachrichtensendung weitergeleitet.

Die einzelnen spezialisierten Aufgaben werden in dieser Organisation von einem einzigen Mitarbeiter ganzheitlich wahrgenommen. Natürlich ist die Bildqualität zum Teil nicht optimal, die Szene zum Teil schlecht ausgeleuchtet, der Ton und der Schnitt holprig. All das spielt aber keine Rolle, wenn es diesen Kameramann gelingt, ein Bild des zusammen stürzenden World Trade Centers einzufangen.

Das ist in bester Ordnung, denn:

Der Sender tauscht in seiner Organisation die qualitativen Vorteile der Spezialisierung, gegen die mit einer ganzheitlichen Organisation mögliche, hohe Geschwindigkeit und Aktualität.

Dieses extreme und dennoch realistische Beispiel zeigt, dass eine Organisation, eine viel zu wenig genutzte Wahlmöglichkeit hat, ihre Arbeitsstrukturen und Abläufe, auf die Erreichung bestimmter Ziele abzustimmen.

Spezialisierung muss nur sein, wenn die dadurch notwendige Qualität in einer einzelnen Funktion den, durch die Spezialisierung entstehenden, höheren Aufwand (Rüstaufwand) und das geringere Tempo rechtfertigt.

Ganzheitliche Arbeitsformen sind ein typisches Merkmal des Jobmanagements in modernen Organisationen. Alle Aufgaben, die zur Durchführung eines Prozesses notwendig sind, werden möglichst in einer Stelle konzentriert oder in einer Person vereinigt.   Geschäftsvorfälle können in einer solchen Organisation abschließend, ohne Weitergabeschritte oder ähnliches bearbeitet werden. Das sorgt für Tempo und eine rasante Durchlaufzeit.

Mit dem Vordringen integrierter IT Systemen ist die Anzahl ganzheitlicher Arbeitsformen gestiegen.

Eine Vielzahl spezialisierter Arbeitsorganisationen ist darauf zurückzuführen, dass nicht alle Informationen und alle Funktionen für die Durchführung einer Bearbeitung an einem einzigen Ort zur Verfügung stehen.

Moderne, integrierte IT Systemen stellen aber gerade dieses bereit. Ihr Sinn besteht darin, dafür sorgen, dass alle Informationen und im Idealfall alle Funktionen an einem beliebigen Ort, zu einer beliebigen Zeit, in beliebiger Fülle zur Verfügung stehen.

Gerade die moderne IT hat deshalb dafür gesorgt, dass Prozesse nahezu beliebig ganzheitlich organisiert werden können.

Das bringt Tempo, schnellere Durchlaufzeit, aber nicht immer auch eine bessere Bearbeitungsqualität:

Tipps für Ihre Anwendung:

1.) Sammeln sie alle Aufgaben, die Sie neu organisieren möchten. Ordnen Sie sie möglichst logisch, innerhalb der Prozesse ihres Unternehmens. Beginnen Sie dabei mit den Aufgaben, die bei der Entgegennahme eines Geschäftsvorfalls angestoßen werden. Ordnen Sie die nachfolgenden Aufgaben in ihrer logischen und zeitlichen Reihenfolge. Enden sie bei der Aufgabe. mit dem der bearbeitete Vorfall an das Unternehmen oder die Kunden übergeben wird.

2.) Vollziehen Sie die 180° Kehrtwende. Prüfen Sie, ob nicht das gesamte Bündel, dass Sie vor sich auf dem Papier haben, von einem Mitarbeiter durchgeführt werden kann. Denken Sie dabei vor allen Dingen an die Qualifikation. Olympioniken sind dünn gesät. Der Olympia Sachbearbeiter sollte deshalb nicht der Maßstab sein. Es geht aber nicht nur um die Qualifikation. Genauso wichtig ist die Kapazität. Schafft man es zeitlich, das Aufgabenbündel in einem Zug abzuarbeiten?( Nicht vergessen, wenn es zeitlich notwendig werden sollte das Paket aufzuteilen, können sie es auch organisatorisch aufteilen). Vergessen Sie auch nicht die Motivation der Mitarbeiter. Nicht immer macht Ganzheitlichkeit Spaß. Man kann sich bei ganzheitlichen Arbeitsformen nicht in der Arbeit verlieren. Abschalten. Im Gegenteil: Man muss am Ball bleiben. Den ganzen Vorgang im Kopf behalten. Das möge nicht alle. Nacheinander Schrauben eindrehen und dabei vom Urlaub träumen, ist für viele Mitarbeiter attraktiver. Lassen Sie sich hier nicht täuschen. Von ihrer Personalabteilung. Oder Trainern. Oder Beratern.

3.) Prüfen Sie als nächstes die technische Basis. Lassen ihre bestehenden IT Systeme ganzseitige Arbeitsformen überhaupt zu? Wenn nein, prüfen Sie ob, sich eine entsprechende Investition lohnt. Früher war dieser Schritt der erste zu leistende Schritt einer Prüfung und nicht der Dritte. Damals war Technik noch der limitierende Faktor. Dieses ist heute nicht mehr so. Nahezu für jeden Aufgabenbereich stehen IT Lösungen bereit, die eine komplette, ganzheitliche Bearbeitungsform erlauben. Die Frage ist heute eher die, ob der, durch die ganzheitliche Arbeitsformen entstehen Gewinn, die durch die Systementführung entstehenden Kosten trägt.

3.) Wenn nein, analysieren Sie die einzelnen Aufgaben, teilen sie das Paket, und versuchen Sie zwei möglichst große Päckchen zu bilden die logisch zusammenhängen. Achten Sie dabei darauf. dass die Prozessreihenfolge gewahrt bleibt.

4.) Prüfen Sie erneut: Sind diese beiden Aufgabenpäckchen von einem Mitarbeiter zu bewältigen, bzw. technisch umsetzbar? Wenn nein, gehen Sie zum Schritt 2 oben und teilen Sie erneut.

5.) Glückwunsch: Sie sind zu einem aus qualifikatorischer, technischer und kapazitativer Sicht zu bewältigenden Päckchen angekommen.

6.) Suchen und finden Sie die passenden Mitarbeiter. Dieses gilt bei Leibe nicht nur für die ausführenden Mitarbeiter. Noch wichtiger sind die entsprechenden Führungskräfte. Ganzheitlich arbeitende Mitarbeiter sind hochqualifiziert und schwieriger zuführen, als solche, die nur eine einzige Aufgabe durchführen. Das muss Mann oder Frau können,

7.) Schulen Sie die Mitarbeiter. In der Praxis!

8.) Controlling nicht vergessen. Spezialistenorganisationen sind leichter (s.o.) zu führen, als ganzheitliche Organisationen. Man sieht, wenn jemand keine Arbeit mehr hat. Man weiß, wann ein Arbeitsschritt beendet ist. Diese Übersichtlichkeit des Fließband müssen sie durch ein Controlling  ersetzen. Keine ganz einfache Aufgabe.

9.) Starten Sie. Kontrollieren Sie. Haben Sie Ihre Ziele erreicht? Wenn ja: Setzen Sie sofort neue, denn Sie haben die Latte zu niedrig gelegt!!! Wenn nein: prima. Arbeiten Sie weiter. Sind sie noch in fünf Wochen ohne Veränderung in Richtung Ziel unterwegs, sollten Sie nochmal überlegen. Bis dahin aber: alle Kräfte konzentriert und die Latte fest ins Auge gefasst.

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