Eine der wirklich großen Agenturen. Das Haus war in den letzten 2 Jahren sehr erfolgreich und ist stark gewachsen. Die Führungsmannschaft klagt über wenig Zeit und hohe Arbeitsbelastung. Eine Reorganisation im Management wird unausweichlich. Aber wie?
Man beschließt, Führungsprozesse, Aufgabenverteilung und die Ressortverteilung in der GL zu überprüfen und extern analysieren zu lassen. Wie es sich gehört, beginnt der Prozess beim Kopf der Organisation.
Der oberste Chef ist seit Jahren erfolgreich im Amt. Obwohl er nicht wirklich ein Kreativer ist. Das ganze Drumherum ist ihm ein Graus. Insbesondere die Branchen-Events. Die Präsentationen dort sind, wie er selbst sagt, "gar nicht mein Ding - hier störe ich nur, das mache ich nicht gut". Er quält sich dabei.
Na und! - Seine Stärke ist: Er kann führen. Das ist die Quintessenz der Analyse in der Organisation. Die Fakten sind deutlich: Die niedrigste Fluktuation aller Agenturen. Die meisten Bewerberzahlen. Headhunter sind nicht notwendig. Die Führungskräfte - konzentriert bei ihrer Arbeit. Keine Politik. Nur Kunde, Etat und Pitch. Und immer hat er ein offenes Ohr: Morgens, abends, wann man ihn braucht.
Dem Chef ist gar nicht klar, dass er hier seine größte Stärke hat. Er meint er wäre ein guter Kaufmann, könnte rechnen, hat das Controlling im Griff. Stimmt! - hat er. Aber Manager, die Kreative führen können, die einen Stall von 200 extrovertierten Edelfedern zu Höchstleistungen bringen, sind selten. Deshalb ist Führen seine Stärke und nicht das Kaufmännische. Und genau hier, bei dieser Stärke, setzt die Reorganisation an:
o) Schluss mit den externen Events. Ein anderer wird bestimmt, der als Botschafter das Gesicht der Agentur nach außen ist. Die Zeit kann der Chef sich sparen und besser investieren - in Führung.
o) Sparen könnte er sich aber auch die Zeit bei der Detailkontrolle der Buchhaltung. Auch das kostet Zeit, die er in der Organisation sinnvoller verwendet werden kann. Deshalb wird ein kaufmännischer Leiter der Olympia Klasse eingestellt. Der mit ihm auf Augenhöhe ist. Exorbitant bezahlt. Aber ihm die Aufgaben abnimmt. Und zu dem er Vertrauen hat.
o) Aber das ist nur die eine Seite der Medaille. Es geht auch um Prozesse und Instrumente im Controlling. Denn: Er ist der Chef, der Verantwortliche - natürlich muss er informiert sein. Darüber was im Unternehmen passiert - welche Etats in den roten Bereich rutschen, wie es mit dem Cashflow aussieht. Aber anders und auf anderer Flughöhe als bisher.
Wenn alles im grünen Bereich ist, reicht 10000 m Flughöhe. Und wenn nicht, muss er, gewarnt durch die Systeme!, schnell und ohne Rückfragen selbst ins Detail gehen können - bis auf den Beleg, wenn es sein muss, aber eben nur - wenn es sein muss. Das geht und ist mit heutigen Technologien kein Problem. Die Controllingprozesse und Werkzeuge werden entsprechend neu ausgelegt, viel Geld und Zeit in Business Intelligence Instrumente investiert, die eine Gesamtschau für ihn erlauben, im Einzelfall aber eben auch den Drill down bis ins Detail. Das gibt ihm Transparenz, Sicherheit und mehr Zeit - für seine Stärke - Führung.
Eine große Investition, nur für Ihn! Weil er so ist, wie er ist.
Das ist in bester Ordnung, denn:
die Passung der Unternehmensstruktur zu den Führungsverantwortlichen der Organisation ist ein entscheidendes Kriterium für deren Wirksamkeit.
Die Organisation des Unternehmens muss sitzen wie ein gut geschneiderter Anzug. Es macht keinen Sinn eine Organisationsstruktur zu haben, die zwar die Anforderungen des Lehrbuchs erfüllt, aber nicht zu den handelnden Führungskräften oder zum Chef des Unternehmens passt.
Wirksamkeit von Organisation bedeutet immer auch Wirksamkeit der Führungspersönlichkeiten durch diese Organisation. Ordnung ist Mittel zum Zweck. Und Zweck bedeutet in diesem Fall eben auch Willen und Handeln des Chefs möglichst effizient und effektiv umzusetzen. Eine Organisation muss passen wie der verlängerte Arm.
In dieser Form Organisation zu gestalten bedeutet, zweierlei zum Ausgleich zu bringen: Zum einen die klassischen Anforderungen einer Organisation erfüllen. Zum anderen innerhalb dieser Rahmenbedingungen eine möglichst hohe Passung zur Persönlichkeit des obersten Chefs und seiner Führungsmannschaft herzustellen. Organisieren und ordnen im Unternehmen bedeutet daher immer, auch auf die Persönlichkeiten der Führungskräfte einzugehen.
Anwendung:
1.) Machen Sie sich ein Bild von der Organisation. Gehen Sie dabei von außen nach innen vor. Beginnen Sie also gerade nicht bei den Führungskräften, sondern weit von ihnen entfernt, und stoßen dann langsam in ihre Richtung vor. Warum: Nur so erkennen Sie, wie weit ihre Wurzeln wirklich reichen und wer im realen Tagesgeschäft wirklich der Boss ist. Setzen Sie dabei alle Instrumente ein, die möglich sind, um eine Organisation zu analysieren. Zum Beispiel die Prozessanalyse. Schauen Sie dabei aber zusätzlich darauf, wo und an welchen Stellen in den Prozessen die Führungskraft eingreift und Wirkung zeigt. Finden Sie die "Bosswertschöpfung"
2.) Erst jetzt: Lernen Sie die Führungskräfte kennen. Warum erst jetzt - weil Sie sie ja schon kennen, aus Ihrer Wirkung in die Organisation. Neutral, sachlich haben Sie sich hier ein Bild gemacht. Jetzt kommt es darauf an die Menschen hinter diesem Bild kennen zu lernen, ihre Selbstbilder, (das heißt wie sie sich selber sehen und einschätzen) zu verstehen und es dem Fremdbild, (das was Sie in der Organisation über sie und ihr Wirken gelernt haben) gegenüber zu halten. Wenden Sie für die Analyse alle Instrumente an, die die Psychologie bereithält - vor allem aber ihren gesunden Menschenverstand. Machen Sie sich ein nüchternes Bild der Stärken und Schwächen der Führungskräfte. Sie sind die entscheidenden Dimensionen für die Gestaltung der Organisation: Die Organisation muss ihre Stärken unterstützen und ihre Schwächen egalisieren. Dieses Prinzip geht wohl gemerkt vor dem der ökonomischen Effizienz.! Schauen Sie dabei vor allem auf die Stärken. Um die geht es, für die werden Führungskräfte bezahlt, sie machen ihren Wert aus. Glauben Sie ja nicht, dass eine Führungskraft diese immer kennt. Oder seine Organisation weiß, wo sie wirklich stark ist. Stärken zu identifizieren ist viel schwieriger als Schwächen.
4.) Machen Sie sich ein Bild der zukünftigen! Organisation. Wo können Schwächen der jeweiligen Führungskraft ausgeglichen werden? Indem andere seine Aufgaben übernehmen, indem er dabei unterstützt wird, etc. Wo kann die Organisation Stärken aufnehmen und verstärken? Wenn er ein hervorragender Verkäufer ist, geben Sie ihm Zeit um zu verkaufen, und lassen Sie andere in den Lenkungskreis des aktuellen IT-Projektes gehen etc. Geben Sie ihm das kostbarste, was eine Organisation ihren Mitgliedern bieten kann: Zeit, das zu tun, in dem sie gut sind und entlasten Sie ihn radikal von allen anderen Dingen. Verletzen sie hierbei ruhig Vorgaben und Regeln der Reorganisationslehre. Gestalten Sie ineffiziente Prozesse, stellen sie einen überteuerten IT-Leiter ein, der selber entscheiden kann und den Chef nie wieder mit diesen technischen Details belästigt. All das ist es wert, wenn es hilft die wirklichen Stärken der Führungskraft zu verstärken.
5.) Das ist das schwierigste: Seien Sie offen darüber, warum sie etwas tun. Erfinden sie keine Märchen. Die Mitarbeiter, vor allem aber die Führungskräfte, bekommen es mit, wenn man eine Organisation anders aufbaut als normalerweise. Sie brauchen einen guten Grund dafür. Nennen Sie ihnen den besten: weil es dem Chef hilft. Und wenn dem Chef geholfen ist, hilft es allen. Spielen Sie um Himmels willen nicht verstecken. Sie wollen gute Leute als Mitarbeiter, die die Schwächen ihres Chefs kompensieren können. Die merken das!!! Sagen Sie klipp und klar, was los ist und warum sie das tun. Sonst verlieren ihre Mitarbeiter das Vertrauen, können sich nicht erklären, was passiert, halten Sie gar für einen Dilettanten. Und damit verlieren sie alles.
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