Sonntag, 20. Februar 2011

Sie wollen mehr Verkaufspower? - folgen Sie den Eichhörnchen und achten Sie auf jede Nuss

Eine Tageszeitung ist unzufrieden mit ihrem Anzeigenverkauf. Zwar entwickelt sich das Geschäft plangemäß, der Verleger kann sich jedoch des Eindrucks nicht erwehren, dass einfach mehr drin wäre, wenn alle Kräfte konzentriert am Markt arbeiten würden. Beim Gang durch die Abteilungen fallen ihnen eine Vielzahl von Mitarbeitern auf, die an ihren Schreibtischen sitzen und mit Papier hantieren. Insbesondere auch im Verkauf. Wieso rufen die keine Kunden an fragt er sich. Warum sind Sie nicht draußen bei unseren Anzeigenkunden. Er möchte wissen wie viel Zeit eigentlich von den insgesamt 40 Verkäufern für die Arbeit im Verkauf verwendet wird, und wie viel an Administration und Bürokratie in seinem Unternehmen verloren geht.

Um diese Frage zu klären beauftragt er eine Analyse des Anzeigenbereichs. Trotz der Beschränkung auf den Anzeigenbereichen werden alle Geschäftsvorfälle innerhalb eines Monats an jeder Stelle im Unternehmen erfasst. Auch die Redaktion, die Druckerei, und der Vertrieb sind Gegenstand der Analyse. An jeder Stelle wird eine Strichliste geführt, in der die Vorfälle in einzelnen Kategorien gezählt werden. Nach einem Monat wird ausgewertet wie viele Vorfälle insgesamt an welcher Stelle in welcher Art von wem an das Unternehmen herangetragen werden. Gegenstand der Analyse ist nicht nur die Zahl der Geschäftsvorfälle sondern vor allem auch ihre Art und die Quelle. Ebenfalls relevant ist der Zeitpunkt. Die Untersuchung zeigt erstaunliche Ergebnisse:

Etwa 1/4 der für den Anzeigenbereichen relevanten Geschäftsvorfälle schlagen gar nicht im Anzeigenbereich auf, sondern in anderen Abteilungen des Unternehmens (Redaktion, Vertrieb und insbesondere Satz und Druckerei). Nur ein kleiner Teil der Vorfälle betrifft tatsächlich Aufträge. Viel häufiger sind Anfragen.

Eine Überraschung ist die Analyse der Geschäftsvorfälle in Bezug auf Art und Zeitpunkt. In der Druckerei wurde in vielen Fällen über immer zum Wochenende auftretenden Spitzen an zu setzenden Anzeigen geklagt. Gerade am Mittwoch und Donnerstag häuften sich diese Aufträge und führen zu erheblichen Überstunden. Gleichzeitig sind diese Kräfte die diese Anzeigen bearbeiten am Montag und Freitag nicht ausgelastet. Die Analyse zeigt jetzt aber das das Vorfallsaufkommen keine dieser Spitzen kennt. Im Gegenteil, die einzelnen Anzeigenaufträge verteilen sich relativ gleichmäßig über die Zeit. Die nachfolgende Analyse zeigt, dass die Häufung der Aufträge zum Wochenende darin begründet liegt, dass die Außendienstmitarbeiter die Aufträge immer erst zum Wochenende an die Zentrale weiterleiten. Die Häufung ist also nicht durch das Aufkommen, sondern durch die interne Organisation begründet.

Eine weitere Überraschung ist die Verteilung der Geschäftsvorfälle im Tagesablauf. Reklamationen über die Zustellung häufen sich am Morgen, insbesondere den frühen Morgenstunden. Rechnungsreklamationen in Bezug auf Anzeigenrechnungen treten dagegen meistens erst gegen die späten Stunden des Nachmittags auf. Da beide Geschäftsvorfallsarten von jeweils spezialisierten Abteilungen bearbeitet werden (Zustellerreklamationen vom Vertrieb, Rechnungsreklamationen von der Anzeigenbearbeitung), sind beide Abteilungen an bestimmten Stunden des Tages überlastet (Vertrieb in den Morgenstunden, Anzeigenbearbeitung in den späten Stunden des Nachmittags), an anderen Stunden aber unterausgelastet (Vertrieb am Nachmittag Anzeigenbearbeitung am Vormittag). Da sich dieses Muster der Geschäftsvorfallsverteilung über alle Tage hinweg gleich verhält, bietet eine Reorganisation in der die beiden Aufgaben von einer einzigen Abteilung wahrgenommen werden (Verlagskundenbetreuung) ein großes Rationalisierungspotenzial, da so die vorhandenen Mitarbeiter weitaus besser ausgelastet werden können.

das ist in bester Ordnung, denn: 

Grundsätzlich gilt, dass  jeder Vorfall, egal welcher Art, wertvoll für das Unternehmen ist. Denn ein Vorfall bedeutet immer, dass ein nicht zum Unternehmen gehörendes Individuum sich an das Unternehmen wendet. Dieses kann er nur tun, wenn er das Unternehmen überhaupt kennt, die Kontaktkanäle und Adressen des Unternehmens bekannt sind, und er auch bereit ist den für die Kontaktaufnahme notwendigen Zeit als Invest zu tätigen. Vergegenwärtigt man sich diese Tatsachen wird schnell klar, dass jeder Vorfallsauslöser schon eine Vielzahl an Stufen in Richtung des Unternehmens beschritten hat. Der Schritt zum eigentlichen Geschäft ist dann eigentlich nur noch ein kleiner, die Wandlungsquote von Vorfallsauslösern zu Geschäftsträgern eine hohe. Jeder Vorfall ist Gold wert.

Neben der geschäftlichen Relevanz gibt es aber auch die strategische Relevanz. Auch Vorfälle die noch keine Bedeutung für das aktuelle Geschäft haben können trotzdem von strategischer Relevanz für das Unternehmen sein. Anfragen die sich auf Produkte beziehen, die das Unternehmen (noch) nicht bereitstellt geben wesentliche Impulse für die Weiterentwicklung der Produktpalette. Reklamationen deuten auf Potenziale für Qualitätsverbesserungen hin oder aber auf noch nicht befriedigte Kundenwünsche.

Gerade diese Überlegung zeigt das jeder Vorfall für das Unternehmen wichtig ist. Egal an welcher Stelle er an das Unternehmen herangetragen wird, wer ihn entgegen nimmt und von wem er ausgelöst wird. Alle Vorfälle sind deshalb genauestens aufzunehmen, möglichst optimal zu bearbeiten und detailliert zu analysieren. Ein Unternehmen das sich ausschließlich auf geschäftsrelevanten Vorfälle konzentriert ist auf einem Auge blind.

Tipps für Ihre Anwendung:

1.) Nehmen Sie sich das Telefonbuch ihres Unternehmens. Alle Personen die einen Außenanschluss haben sind Empfänger von Geschäftsvorfällen. Ein jeder dieser Stellen kann ein Kunde anrufen, ein Interessent sich melden, eine Reklamation auflaufen oder aber eine Anfrage aufschlagen. Zählen Sie die Mitarbeiter zusammen. Sie alle müssen gefragt werden! Das kostet Aufwand und wird Unruhe schaffen. Wollen Sie wirklich weitermachen?

2.) Sie wollen weitermachen. Prima, denn das lohnt sich. Ermitteln Sie jetzt welche Geschäftsvorfälle ist im Unternehmen gibt. Halten Sie sich an die drei Klassen: Anfrage, Reklamation, Auftrag. Suchen Sie Beispiele für jede dieser Klassen aus ihren Unternehmensalltag. Bitte vergessen Sie die schriftliche Korrespondenz nicht. Das betrifft nicht nur Briefe. Vor allem geht es um E-Mails.

3) Entwerfen sie eine Tagesaufschreibung. Nichts schlimmes. Ein einfaches Formular. Für jede der drei Klassen ist ein Kästchen aufgeführt. Wollen Sie auch die zeitliche Frequenz erheben so fügen sie für jede Klasse nicht ein Kästchen, sondern acht für die Stunden des Tages ein. Der Mitarbeiter hat nichts weiteres zu tun, als jeden von außen kommenden Anruf, oder einen schriftlichen Kontakt sei es per Brief oder E-Mail, in einer dieser drei Klassen einzuordnen und einen entsprechenden Strich zu machen. Nicht mehr aber auch nicht weniger.

4.) Nein! Bitte noch nicht an die Mitarbeiter verteilen. Denken Sie sich erst eine gute Kommunikation aus. Insbesondere warum Sie diese Analyse durchführen. Und dass dieses keine Überwachung ist! Hier werden sie mit dem Betriebsrat reden müssen. Und wollen! Stimmen Sie diese Befragung vorab mit den verantwortlichen Führungskräften ab. Ohne Unterstützung von ihnen und die Einschätzung ob die Aufschreibungen der Mitarbeiter realistischen sind, werden sie nicht erfolgreich sein. Also kommunizieren sie. Lieber zu viel als zu wenig. Am besten alles mindestens dreimal, auf jeweils unterschiedliche Art sagen.

5.) Führen Sie die Befragung durch. Nein, noch nicht im ganzen Unternehmen. Zuerst einmal bei einer kleinen Gruppe an Mitarbeitern. Sie müssen das Formular ausprobieren. Passen die Begriffe? Ist das Formular verständlich? Sind die Kästchen groß genug für die Striche? Klappt die Logistik des Einsammelns? Wie viel Zeitaufwand kostet die Auswertung? All das sind Fragen, die geklärt werden müssen um später, wenn alle Mitarbeiter betroffen sind,  eine reibungslose Analyse durchführen zu können. Verwenden Sie viel Zeit bei diesem Piloten. Eine große Analyse bei der Fehler entstehen, ist die beste Möglichkeit sich komplett zu blamieren. Vielleicht reichen ja auch schon die Ergebnisse aus dem Pilot als repräsentative Stichprobe.. Nicht immer wird es besser, wenn man eine 100% Erhebung durchführt. Prüfen Sie sich also. Reicht das was Sie jetzt haben oder wollen Sie in die vollen gehen.

6.) Sie wollen in die vollen gehen. Los geht's. Verteilen Sie die Formulare an alle betroffenen Mitarbeiter. Natürlich nicht ohne vorher und dabei zu kommunizieren und danach ebenfalls noch einmal zu erklären warum das Ganze notwendig ist. Sammeln Sie die Zettel jeden Tag ein. Werten Sie sie jeden Abend aus. Nicht erst am Ende der geplanten Zeit. Es kann immer wieder sein, dass man sehr schnell auf erstaunliche Sachverhalte stößt, die zu einer Veränderung des Fragebogens führen oder aber eine andere Stoßrichtung der Analyse notwendig machen.

7.) Am Ende des Erhebungszeitraums (im allgemeinen genügen 14 Tage für die Erhebung) führen Sie die komplette Analyse durch. Untersuchen Sie wie viel von jeder Geschäftsvorfallsklasse eingegangen ist. Wie groß sind die Anteile der Anfragen versus der Aufträge versus der Reklamationen.? Bei welcher Abteilung treffen welche Arten ein? Welcher Mitarbeiter ist zu welchem Anteil am Gesamtaufkommen beteiligt? usw., usw., usw. Sie werden erstaunt sein, wie groß der Anteil der Nichtaufträge ist, der Anfragen und vor allem der Reklamationen. Sie werden erstaunt sein!

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